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Wartende Wähler zeigen ihre ukrainischen Pässe vor ihrem Wahllokal in Moskau.

Foto: Reuters/Sergei Karpukhin

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Massenandrang vor einem "Wahllokal" in der südostukrainischen Stadt Mariupol.

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Lange Warteschlangen bildeten sich am Sonntagvormittag vor vielen Wahllokalen in der Ostukraine. "Ich sehe mich nicht mehr als Teil der Ukraine", sagt Anja Tscherkass (29) vor einem Lokal im Zentrum von Donezk. Die Wirtschaftswissenschafterin verspricht sich von dem Votum mehr Selbstbestimmung. Die Führung in Kiew habe sich nie für diese Region und die Meinung der Menschen interessiert. "Heute erhalten sie dafür die Quittung", sagt sie.

In den Wahllokalen in der Innenstadt von Donezk hatte die Wahlleitung für Wahlkabinen, transparente Urnen sowie Wählerlisten gesorgt. Diese "Vorzeigelokale" waren aber die Ausnahme. Schon in Nebenbezirken war es anders. Im Stadtteil Kalinski etwa fanden sich in der Schule Nummer drei weder Kabinen noch Wählerlisten. Die Wähler zeigten dort ihren Pass vor, wurden in eine Liste eingetragen, erhielten den Wahlzettel und füllten ihn, für alle sichtbar, am Tisch aus. Der Stimmzettel wurde meist ungefaltet in die Urne geworfen.

Noch provisorischer verlief die Abstimmung in Makejewka. Die Bergarbeiterstadt liegt nur wenige Kilometer von Donezk entfernt. Vor dem Stadtparlament hatte die lokale Wahlleitung Tische aufgestellt, Pappkartons dienten als Urnen. Es gab weder Wählerlisten noch Kabinen. Die Menschen stimmten direkt am Tisch ab, an dem die Wahlhelferinnen saßen, die die Unterlagen ausgaben. "Ich finde nichts dabei", sagte Sergej. Der 62-Jährige kam im Tarnanzug zur Abstimmung und ist sicher, dass "eine übergroße Mehrheit für die Unabhängigkeit" stimmen wird. Auch in Makejewka war der Andrang groß. Für Nikolai (70) sind die Vertreter der früher regierenden Partei der Regionen "Verräter", die Übergangsregierung in Kiew "existiert für uns hier nicht".

Nachgelieferte Wahlzettel

Der Zutritt ins Stadtparlament war nicht gestattet, im Foyer standen mit Maschinengewehren Bewaffnete. Zu Mittag bewachten sie eine Gruppe Männer, die durch den Hintereingang viele Kartons mit Wahlzetteln ins Gebäude schafften. Ob es sich bei den Zetteln um bereits ausgefüllte handelte, war nicht erkennbar.

Wenige Meter entfernt liegt das "Haus der Pioniere", auch dort wurde abgestimmt, wieder ohne Wahllisten und Kabinen. Ein Mann fotografierte seinen Wahlzettel, bevor er ihn in die Urne steckte. Als Wahlleiter und Sicherheitschef hatte Jewgenij Pitrowitsch dort das Kommando. Für den 28-Jährigen steht fest, dass die Region sich für unabhängig erklären wird. "Wir brauchen einen neuen Anführer, Denis Puschilin ist ein neuer und ein guter Mann", findet der Internet-Designer.

Für die Regierung in Kiew ist das Referendum "eine kriminelle Farce", wie sie auf ihrer Internetseite mitteilte. Einhellig beteuerten alle Regierungsparteien und Präsidentschaftskandidaten, dass die Mehrheit der Bevölkerung in Donezk und Lugansk sich nicht an der Abstimmung beteiligt habe.

Die Beobachtungen in der Ostukraine ergaben jedoch ein anderes Bild. Es scheint, als seien die Befürworter der Unabhängigkeit zur Wahl gegangen und die Gegner zu Hause geblieben. Eine Gruppe Donezker Studenten, von denen keiner auch nur den Vornamen nannte, sagte: "Das Referendum ist von Anfang an gefälscht, es ist sinnlos abzustimmen." (Nina Jeglinski aus Donezk, DER STANDARD, 12.5.2014)