In Simmering finden Kinder mit schulischen Problemen gratis Hilfe. 90 Prozent von ihnen stammen aus Migrantenfamilien.

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Wien - Es herrscht konzentrierte Atmosphäre in dem Raum, in dem Nachmittag für Nachmittag dutzende Schüler Nachhilfe bekommen. Manche Kinder werden einzeln von Erwachsenen betreut, manche lauschen in Gruppen, manche helfen sich einfach gegenseitig bei den Hausübungen. Bei der Lerntafel in Wien-Simmering hat man Routine darin, den Nachmittagsbetrieb zu organisieren. Seit drei Jahren gibt es diese Einrichtung, die auf eine private Initiative zurückgeht. Durchschnittlich etwa 300 Kindern im Alter zwischen sechs und 14 Jahren wird Monat für Monat dort kostenlos geholfen - 90 Prozent davon kommen aus Migrantenfamilien.

Lerntafel-Gründer Stefan Unterberger erzählt stolz von den großen und kleinen Erfolgen, die durch die Betreuung der Kinder erzielt wurden. Die Lernhelfer kümmern sich nicht nur um die Hausübungen oder um die Vorbereitung auf Schularbeiten, der Verein sucht auch das Gespräch mit Schulen und Behörden, wenn das notwendig ist. Eine Psychologin unterstützt fallweise die Kinder, es gibt Mal-Workshops und Tipps gegen Prüfungsangst. Für die etwa 150 Lernhelfer werden Weiterbildung und Supervision angeboten.

300.000 Euro werden gebraucht

Eigentlich wollte Unterberger sein Konzept auf weitere Zentren in Wien ausweiten; doch nun muss er schauen, wie er den Standort in Simmering retten kann. 300.000 Euro muss er im Lauf des Jahres aufstellen, wenn das gelingen soll. Der größte Brocken sind die Mietkosten im Ekazent Simmering, dazu beschäftigt der Verein fünf (Teilzeit-)Angestellte. Vereinsmitglieder und Lernhelfer engagieren sich ausnahmslos ehrenamtlich. Bis auf eine Startförderung von der Stadt Wien und dem Sozialministerium konnten Unterberger und seine Mitstreiter bisher das Jahresbudget stets über Sponsoren und Veranstaltungen organisieren.

Doch seit einigen Monaten erweist sich das als zunehmend schwieriger. Vereinsgründer Unterberger ist durchaus selbstkritisch: "Ich glaube, wir haben bisher zu wenig Awareness dafür geschaffen, dass wir Hilfe brauchen."

Warum die Unternehmen ausgerechnet jetzt abspringen? Indirekt, meint Unterberger, habe das schon mit der Stadtregierung zu tun - genau genommen mit der Ankündigung bei der roten Klubklausur, die Nachhilfe für alle Kinder in Wien gratis zu machen. Dies hatte zumindest Bürgermeister Michael Häupl (SP) vor einigen Wochen in Aussicht gestellt. Starten soll die Initiative zumindest in den Volksschulen schon im Herbst - wenngleich das Konzept dafür noch relativ vage ist (siehe Artikel rechts). Seit dieser Ankündigung, sagt Unterberger, höre er durchaus die Frage, wofür er noch Geld brauche, wenn doch eh die Stadt die Nachhilfe finanzieren würde.

Genau das will die Wiener Lerntafel aber gar nicht. Schließlich würde die Einrichtung Dinge leisten, die nach städtischen Kriterien wohl gar nicht möglich wären, meint Unterberger - etwa die sechstätige Betreuung der Kinder. Gleichzeitig vermisst er aber die Hilfe bei der Sponsoren- und Spendersuche. Mit einer Kampagne, die Vereinsmitglieder und Lernhelfer unentgeltlich aufgestellt haben, soll dies nun gelingen. (Andrea Heigl, DER STANDARD, 10.5.2014)