Kabul - Einen Tag nach den seit Wochen blutigsten Kämpfen in Afghanistan haben Regierungstruppen und US-Soldaten das Berggebiet im Südosten des Landes nach Taliban-Kämpfern durchsucht. Der Geheimdienstchef der Provinz Sabul, Khalil Hotak, äußerte am Dienstag den Verdacht, in der Region hätten sich Taliban- und El-Kaida-Kämpfer mit Anhängern des Clan-Führers Gulbuddin Hekmatyar verbündet, um die Regierung in Kabul zu schwächen.

Widersprüchliche Aussagen über Opfer

US-Kampfflugzeuge hatten am Montag in einer gemeinsamen Offensive mit den afghanischen Streitkräften mutmaßliche Taliban-Stellungen im Bergland von Sabul an der Grenze zu Pakistan bombardiert. Über die Opfer gab es widersprüchliche Zahlenangaben. Afghanische Regierungsbeamte vermeldeten etwa 50 getötete Taliban-Kämpfer, ein amerikanischer Militärsprecher sprach später allerdings nur von 14 Toten. Einem Taliban-Sprecher zufolge handelte es sich bei den Opfern um Zivilpersonen, was jedoch nicht unabhängig bestätigt werden konnte.

Welle von Anschlägen

Die Offensive folgte auf eine Welle von Angriffen gegen Regierungssoldaten und Polizisten im Süden und Osten des Landes in den vergangenen Wochen. In Sabul und der benachbarten Provinz Urusgan waren am Wochenende mindestens 14 Menschen bei Kämpfen zwischen Taliban und afghanischen Regierungssoldaten getötet worden. Wie Regierungsbeamte mitteilten, wurden bei Razzien in Paktika und Sabul in den vergangenen Tagen rund 100 mutmaßliche Taliban-Kämpfer festgenommen. Dabei seien den Soldaten Dokumente über geplante Angriffe sowie Decknamen von Befehlshabern in die Hände gefallen.

Anfang Juni hatten afghanische Regierungstruppen 40 Taliban-Kämpfer nahe der pakistanischen Grenze getötet. Die USA fahnden in Afghanistan nach Anhängern der Taliban und der moslemischen Extremistenorganisation El Kaida. Die Taliban hatten El-Kaida-Kämpfern Unterschlupf gewährt, die als Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001 gilt.

Karsai kandidiert bei Präsidentschaftswahl

Der afghanische Übergangspräsident Hamid Karsai kündigte unterdessen an, bei der für kommenden Juni vorgesehenen Präsidentschaftswahl anzutreten. Voraussetzung sei jedoch, dass zuvor eine demokratische Verfassung verabschiedet werde, sagte Karsai in einem Interview des kanadischen Fernsehsenders CTV. Ein Verfassungsentwurf hat zwischen den konservativen Islamisten des Landes und gemäßigteren Gruppierungen für heftige Diskussionen gesorgt. Beobachter rechnen dennoch mit einer Verabschiedung durch die verfassungsgebende Versammlung, die Loya Jirga, bei ihrer nächsten Sitzung im Oktober.

Berlin signalisiert Ausweitung des deutschen Afghanistan-Einsatzes

Die deutsche Regierung will ihren Militär-Einsatz in Afghanistan voraussichtlich auf die Stadt Kundus im Norden des Landes ausweiten. Das stellte Verteidigungsminister Peter Struck am Dienstag bei einem Truppenbesuch in Rostock in Aussicht. Die Ausdehnung des Bundeswehr-Einsatzes sei aber noch nicht beschlossen, räumte Struck ein. Er werde zunächst mit Bundeskanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joschka Fischer sowie den Oppositionsfraktionen beraten. Einen Kundus-Einsatz müsste der Bundestag beschließen.

Am Sonntag war ein deutsches Erkundungsteam aus Kundus zurückgekehrt. Struck nannte es unrealistisch, dass das Team von einer Präsenz in Kundus abraten werde. Die Erfahrungen der USA in dieser Stadt würden "uns nicht veranlassen werden, Nein zu sagen". (APA/dpa/Reuters/AP)