ÖH-Vorsitzender Florian Kraushofer spazierte mit dem UniStandard vom Karlsplatz zum Schillerplatz.

Foto: STANDARD / Robert Newald

Florian Kraushofer ist erleichert, als er uns vor der Wiener TU am Karlsplatz begrüßt. Zwar zwei Journalistinnen, aber keine Kameras, zunächst  nicht einmal ein Fotograf. An Aufnahmegeräte hat sich der 22-Jährige in seiner einjährigen Amtszeit als Bundesvorsitzender der Österreichischen Hochschülerschaft mittlerweile gewöhnt. Unser Uni-Spaziergang führt uns zunächst in den Innenhof der TU und zu Fragen über Physik und Politik.

UniStandard: Wann wussten Sie, dass Sie Physik studieren wollen?

Kraushofer: Das muss irgendwann in der Oberstufe gewesen sein. Die einzige Frage war nur: Uni Wien oder TU? Die Uni Wien erschien mir immer so riesig, deswegen habe ich mich für die TU entschieden.

UniStandard: Und wann haben Sie sich für die Politik entschieden?

Kraushofer: Ich bin durch „Uni brennt“ politisch sozialisiert worden. Davor war ich zwar politisch interessiert und habe Zeit im Bild geschaut und Zeitungen gelesen, aber engagiert habe ich mich erst bei den Uni-Protesten 2009 – meinem ersten Semester an der Uni.

Auf dem Weg zum Freihaus, wo Kraushofer den Großteil seiner Studienzeit verbracht hat, machen wir einen Zwischenstopp bei Adalbert Prechtl, dem TU-Vizerektor für Studienangelegenheiten. Bevor sich der Elektrotechnik-Professor und der Physik-Student in mathematischen Diskussionen über Flächenintegrale verlieren, befragen wir sie zur Mathematik des Studienzugangs.

UniStandard: Herr Prechtl, die TU Wien hat die Studienplatzfinanzierung samt Platzbeschränkungen und Eingangsprüfungen im Herbst nicht vollständig umgesetzt – freuen Sie sich, dass die flächendeckende Studienplatzfinanzierung nun aufgeschoben worden ist?

Prechtl: Grundsätzlich stehen wir der kapazitätsorientierten Uni-Finanzierung nicht negativ gegenüber – wenn sie diesen Namen verdient. Die Zahlen, die uns vom Ministerium vorgegeben wurden, haben unsere Kapazitäten noch immer weit überschritten.

Kraushofer: Solche Zahlen fallen mehr oder weniger vom Himmel. Das ist für Unis, Studierende und für die Gesellschaft unbefriedigend, weil es einen Zustand einfriert. Das Budget sollte den Interessenten angepasst werden und nicht umgekehrt.  Die Studierenden haben ja auch ein Interesse daran, etwas zu studieren, das ihnen später nützt – da muss sich die Uni nicht dazu berufen fühlen, sie zu dieser Entscheidung zu zwingen.

UniStandard: Herr Prechtl – wie würden Sie die Allianz zwischen Studierenden und den Uni-Leitungen beschreiben? Was sind gemeinsame Forderungen, und worin gibt es Differenzen?

Prechtl: Bei uns ist die Zusammenarbeit zwischen den Studierenden und den anderen Interessengruppen nicht schlecht. Natürlich gibt es immer wieder naturbedingt Interessenkonflikte – da muss man dann Kompromisse suchen.

Kraushofer: Ich kann mich anschließen. Natürlich gibt es hin und wieder Konflikte, aber meistens werden Lösungen gefunden. Was nicht so gut funktioniert, ist das gemeinsame Auftreten nach außen.

Konträr sind die Meinungen hingegen bei der Frage des studentischen Anteils in Uni-Gremien. Kraushofer fordert einen 33-Prozent-Anteil von Studierenden, die Drittelparität. Prechtl ist davon wenig begeistert: Das Abstimmverhalten der Studierenden komme einem "Klubzwang" gleich und sei deswegen im Senat kontraproduktiv.

Die Diskussion wird durch das Eintreffen des Fotografs unterbrochen – gemeinsam führt der Spaziergang nun vorbei am Freihaus. Kraushofers Miene lichtet sich. Das Freihaus ist eines dieser Gebäude, die man wahrscheinlich nur mögen kann, wenn man positive Erinnerungen damit verbindet – das Haus für sich genommen wirkt eher uncharmant. Und Kraushofer kann nicht verbergen: Er fühlt sich wohl hier.

Durch den Bärenmühldurchgang und an der Secession vorbei kommen wir schließlich auf dem Schillerplatz an. Wohl kaum zwei Unis könnten sich in ihren Studienbedingungen so unterscheiden wie die Akademie der bildenden Künste und die TU. Strenge Aufnahmeregelungen da, freier Zugang dort; Kleingruppen da, Massenveranstaltungen dort; kaum Drittmittel da; immer mehr privat finanzierte Forschung dort. Rektorin Eva Blimlinger empfängt uns in ihrem Büro.

UniStandard: Frau Blimlinger, Prechtl und Kraushofer hatten gerade einen Disput zur Drittelparität. Wie stehen Sie dazu?

Blimlinger: Ich bin auch nicht für die Drittelparität – sondern für die Halbparität! Und bei der Rektorswahl für eine Drittelparität aus Lehrenden, Studierenden und Verwaltung.

UniStandard: Die Studierenden sollten die Hälfte in den Gremien stellen? Da sind Sie noch radikaler als die Studierenden selbst ...

Blimlinger: Ja, denn es ist völlig abstrus, im Jahr 2014 eine Art von mittelalterlichem Feudalsystem zu haben, in dem es eine Mittelbau- und eine Oberkurie gibt.  

UniStandard: Die Direktwahl kann man als Schritt in Richtung Demokratisierung der Unis sehen. Wann war die Uni denn zuletzt ein Ort der Demokratie?

Blimlinger: Nie! Universitäten sind keine Orte der Demokratie – auch wenn es eine Drittelparität gibt, weil die Unis in ihrer Verfasstheit früher eine nachgeordnete Dienststelle des Ministeriums waren. Durch die Autonomie ist die Uni aber sicher demokratischer geworden, der Betriebsrat hat beispielsweise mehr Mitspracherechte als früher die Personalvertretung.

Kraushofer: Ich denke, man muss das getrennt sehen. Das eine ist die Autonomie. Das andere ist die spezielle Rolle und die Stärke des Senats. Ich bin jung und studiere noch nicht so lange, aber ich habe schon das Gefühl, dass der Senat einmal eine wichtigere Rolle eingenommen hat. In vielen Belangen darf er heute eine Stellungnahme abgeben, aber wirklich entscheiden im Endeffekt Rektorat oder Unirat. Wir fordern deswegen, dass der Senat in seinen Mitbestimmungsrechten aufgewertet wird.

UniStandard: Stark kritisert haben Sie den Slogan „Geht es der Wirtschaft gut, geht es den Menschen gut“ des nunmehrigen Wissenschaftsministesr Reinhold Mitterlehner. Wo zeigt sich das Scheitern des Wirtschaftsdogmas für Sie?

Blimlinger: Viele Unis klinken sich in einen Contest ein, bei dem es darum geht, möglichst viel Drittmittel einzuwerben. Die TU beispielsweise verfügt über viele Drittmittel, doch das führt nicht dazu, dass es der Uni budgetär gutgeht.

Kraushofer: Ich bin nicht generell dagegen, dass die Unis Drittmittel einwerben, doch das ist nicht ihre Aufgabe schlechthin. Wenn ich an die TU denke, könnten die innovativsten Ideen nie durch Drittmittel finanziert werden. Diese werden eingesetzt, um bereits Bestehendes zu optimieren, doch Erkenntnisgewinn ist da nicht mehr vorhanden.

Blimlinger: Bei Kunstuniversitäten ist das Thema natürlich noch mal ganz anders, weil es natürlich eine angewandte Forschung in dem Sinn kaum gibt, und wenn, dann in einem minimalen Ausmaß.

Nach knapp zwei Stunden Uni-Tour endet der Nachmittag in einem großen Arbeitsbereich einer Kunststudentin zwischen Leinwänden, Farben und Pinseln.  Bei Kaffee aus dem Weinglas – die Tassen muss sich jemand ausgeborgt haben – fragen wir Kraushofer, was sich durch den ÖH-Vorsitzwechsel im Juni für ihn ändern werde. Dass Viktoria Spielmann von Gras dann ÖH-Chefin ist, erspare ihm zwar „hunderte Unterschriften pro Woche“, aber sonst nicht viel, denn er bleibt weiter im Vorsitzteam. Mehr zum Studieren wird er so bald also nicht kommen – erst nach den nächsten Wahlen. Bis dahin muss er sich dieses Semester mit einer einzigen Vorlesung begnügen: Statistische Physik 2. So finden wir also zurück zu Physik und Politik ...

UniStandard: Naturwissenschaftern in der Politik wird ja gerne vorgeworfen, immer sehr sachlich zu agieren. Ist das bei Ihnen auch so?

Kraushofer: Teilweise schon. Ich möchte jedes Argument auf seinen Ursprung zurückführen und  kann es überhaupt nicht leiden, wenn man einen Standpunkt nicht argumentieren kann. Es gibt aber Dinge, die man nicht logisch herleiten kann – da muss man ideologisch eine Entscheidung treffen. Das Problem der Politik ist, glaube ich, aber nicht naturwissenschaftlich lösbar.

UniStandard: Es ist bald Halbzeit im ÖH-Vorsitz. Sind Sie zufrieden mit dem Jahr?

Kraushofer: Es sind für die zweite Halbzeit schon noch viele Ziele übrig. Aber eines der großen Ziele – die Reform des Hochschülerschaftsgesetzes – haben wir erreicht. Selbst wenn wir jetzt ein Jahr lang nichts mehr erreichen würden, wäre es nicht umsonst gewesen. Ich bin ganz glücklich mit dem ersten Jahr. (Lara Hagen, Tanja Traxler, DER STANDARD, 8.5.2014)