Kopf sieht die Konkurrenz durch die Neos positiv, die Stimmen blieben im bürgerlichen Lager.

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STANDARD: Die Regierung hat nicht gerade eine gute Presse. Verkauft sich die Regierung so schlecht, ist sie so schlecht oder haben die Medien da einen falschen Eindruck?

Kopf: Die Themenlage ist schwierig. Hypo, zuvor die Finanzkrise, Banken, Bankenrettung, das hat insgesamt ein Unverständnis bei den Menschen hervorgerufen. Die Propaganda "Für die Banken hat man Geld und für anderes nicht" hat die Grundlage für eine breite Unzufriedenheit geschaffen.

STANDARD: Ist die Hypo also schuld?

Kopf: Die Hypo überlagert vieles. Die Menschen verstehen nicht, wie das passieren konnte. Wir wissen, was wo es passiert ist, aber in der Öffentlichkeit verschwimmen die Verantwortlichkeiten: Wer hat es verursacht und wer hat dann handeln müssen. Durch die Diskussion über den U-Ausschuss hat sich die Verschuldensfrage fast verkehrt, da ist die Regierung in die Defensive geraten.

STANDARD: Wäre es gescheiter, doch einen U-Ausschuss einzusetzen?

Kopf: Ein U-Ausschuss zum jetzigen Zeitpunkt wäre schon wegen der laufenden Gerichtsverfahren und der Verhandlungen mit den Bayern nicht hilfreich. Daher begrüße ich die Einsetzung der Regierungskommission. Klar ist aber: Eine Regierungskommission kann keinen parlamentarischen Ausschuss ersetzen. Aber sie kann Grundlagen für die spätere Beurteilung der Notwendigkeit eines solchen schaffen. Daher sollten wir erst das Ergebnis der Griss-Kommission abwarten.

STANDARD: Es wird eine Reform des U-Ausschusses diskutiert. Wer soll die Vorsitzführung übernehmen?

Kopf: Grundsätzlich sollte das Parlament in der Lage sein, das nicht aus der Hand zu geben. Die Vorsitzführung sollte neutralisiert werden. Ich halte die Idee, dass die Nationalratspräsidenten den Vorsitz führen könnten, für gut.

STANDARD: Derzeit streitet die Regierung über eine Steuerreform. Soll man die jetzt angehen?

Kopf: Spielraum für Verteilung ist nicht mehr da. Mit unserer Steuerquote ist das Ende der Fahnenstange bereits erreicht. Wir müssen Reformen setzen, Strukturbereinigungen machen, um uns den Spielraum für eine Entlastung zu erarbeiten. In einer parlamentarischen Demokratie, wo keine Partei die absolute Mehrheit hat, fürchte ich aber, dass jede teilnehmende Partei eine andere Vorstellung hat. Von den Regierungsparteien höre ich sehr auseinanderdriftende Vorstellungen, wie eine Entlastung finanziert werden soll.

STANDARD: Von Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung, ÖGB, kommen massive Forderungen nach Reformen.

Kopf: Die Vorstellungen, wie das zu geschehen hat, sind aber sehr unterschiedlich. Demokratie heißt Mehrheitsfindung, da sind noch intensive Diskussionen nötig. Es sind sich von den 183 Abgeordneten wohl alle einig, dass es eine Steuerreform braucht - vom Eingangssteuersatz angefangen bis hin zum Betrag des Wirksamwerdens des Spitzensteuersatzes. Das ist dringend korrekturbedürftig. Es werden sich die Geister aber sehr schnell an der Frage scheiden, wie wir das finanzieren.

STANDARD: Was ist Ihre Meinung? Braucht es eine Steuerreform?

Kopf: Unsere Steuerbelastung ist eindeutig zu hoch. Diese und die hohen Schulden sind das Resultat des über Jahrzehnte entwickelten Anspruchsdenkens gegenüber dem Staat. Dazu kamen in den letzten Jahren die Kosten der Krisenbewältigung und des Hypodebakels. Prioritär ist jetzt die Ausgeglichenheit des Budgets und der Schuldenabbau. Eine steuerliche Entlastung ist daher kurzfristig nicht möglich und mittelfristig nur dann, wenn wir unsere Ansprüche an den Staat zurückschrauben.

STANDARD: Da gehen die Positionen von SPÖ und ÖVP aber wieder weit auseinander.

Kopf: Die Konsensfindung ist in einer Gesellschaft, die sich in immer mehr und kleinere Interessensgruppen aufsplittet, nicht leichter, sondern schwerer geworden. Der große Wurf oder der Paukenschlag schaut im Lichte dieser Interessenszersplitterung aus jeder Perspektive anders aus. Gerade in der Koalition von SPÖ und ÖVP gehen die Meinungen über die Möglichkeiten zur Schaffung von Spielräumen für eine Steuerentlastung weiter auseinander.

STANDARD: Da steht sich die Koalition offenbar selbst im Wege.

Kopf: Man kann das durchaus hinterfragen, ob diese Koalition beiden Parteien guttut, wenn man es der eigenen Wählerschaft schon als Erfolg verkauft, missliebige Forderungen des Partners verhindert zu haben. Sind wir ehrlich: Im Augenblick sind die Wähler beider Parteien unzufrieden.

STANDARD: In ihrem Heimatland Vorarlberg droht der ÖVP der Verlust der absoluten Mehrheit.

Kopf: Das ist das Wesen der Demokratie, dass sich solche Verhältnisse ändern können.

STANDARD: Die Bedrohung kommt ausgerechnet von den neuen Neos.

Kopf: Es ist interessant, dass es in Vorarlberg keiner der bestehenden Oppositionsparteien gelingt, die Mehrheit der Regierungspartei in Bedrängnis zu bringen, aber ein gewisser Zulauf zu den Neos festzustellen ist. (Michael Völker, DER STANDARD, 8.5.2014)