Richard Gutjahr (rechts): "Die Leute wollen zahlen, es wird ihnen aber so verdammt schwer gemacht."

Foto: derStandard.at/afs

Jacob Appelbaum (links) im Gespräch mit "Spiegel Online"-Journalist Ole Reißmann.

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Berlin - Der Journalist und Blogger Richard Gutjahr ist davon überzeugt, dass Leserinnen und Leser erstmals bereit sind, für Inhalte im Netz Geld zu bezahlen. Pay-TV funktioniere auch erst nach 25 Jahren. Er meine nicht News, also frei verfügbare Nachrichten oder umgeschriebene Agenturmeldungen, sondern "guten Journalismus", präzisierte Gutjahr bei der Internetkonferenz Republica am Mittwochnachmittag in Berlin. Das könne eine gute Recherche, ein kluger Gedanke sein oder "dass mich jemand zum Lachen gebracht hat".

Verlage würden nach wie vor ihr bisheriges System der Bündelung und ein Abo aufzwingen. In Zeiten der Empfehlkultur sei das nicht mehr zeitgemäß. "Die Leute wollen zahlen, es wird ihnen aber so verdammt schwer gemacht." Das Bezahlsystem für Online-Journalismus müsse einfach und der Preis für einen Artikel nachvollziehbar sein.

Artikel ab fünf Cent

Er nutzte die Konferenz, um erste Erfahrungen mit dem von ihm propagierten Bezahlmodell für Online-Journalismus, Laterpay, vorzustellen. Dieses Modell basiert darauf, dass nicht sofort für eine Geschichte bezahlt werden muss, sondern die Abrechnung erst ab fünf Euro erfolgt - wie in einem Lokal, wenn die Zahl der konsumierten Getränke auf einem Bierdeckel aufgeschrieben und erst am Ende bezahlt wird, erläuterte Gutjahr. Die Artikel kosteten ab fünf Cent, den Preis setzt der Journalist selbst fest: "Ich will keine fucking Almosen haben und selbst bestimmen können, wie viel meine Arbeit wert ist."

Während der vierwöchigen Testphase erzielte er für fünf Artikel Einnahmen von insgesamt 98 Euro. "Das ist erst ein Anfang", sagte Gutjahr. Seine bisherigen Erfahrungen mit Bezahlmodellen seien deutlich schlechter: Über Micropayment - Paypal - seien bisher von 50 Cent nur 14 Cent bei ihm angekommen. Bei der Diskussion wurde auch noch das Bezahlmodell Flattr erwähnt, das etwa die "tageszeitung" in Berlin nutzt, die Userinnen und User bei jedem Artikel fragt, ob sie freiwillig einen finanziellen Beitrag leisten wollen. Als Moderator Sascha Pallenberg ins Publikum fragte, wer bereit sei, für Journalismus online mehr zu zahlen, hoben rund 80 Prozent der Zuhörerinnen und Zuhörer die Hand.

Deutschland besser als die USA

Dass der deutsche Journalismus besser als jener in den USA sei, diese These vertrat der US-Journalist Jacob Appelbaum, der bei Wikileaks mitgearbeitet und im "Spiegel" und im "Guardian" über die Praktiken der US-Geheimdienste geschrieben hat. Während deutsche Journalisten dem öffentlichen Interesse dienten, seien amerikanische den politischen Institutionen verpflichtet. Es werde in den USA viel mehr Rücksicht genommen, während in Deutschland Journalisten effektive Kontrollaufgaben übernähmen und die Politik herausforderten, sagte Appelbaum bei einem Kamingespräch am Mittwochmorgen.

Der 32-Jährige lebt seit Ende des Vorjahrs in Berlin, wie auch die britische Journalistin Susan Harrison, die Edward Snowden bei seiner Flucht von Hongkong nach Moskau begleitet hatte und als Wikileaks-Repräsentantin auftritt. Appelbaum gehörte zu jenen Personen, die von einem Auskunftsersuchen der US-Regierung an Internetdienste betroffen waren. Seine Daten mussten nach einem Gerichtsurteil ausgehändigt werden. Wie Harrison am Tag zuvor betonte auch Appelbaum bei der Republica, dass Überwachung das zentrale Thema sei und sich Journalisten besser schützen müssten. "Das ist hart, aber nicht so schwierig", meinte Appelbaum zu Verschlüsselungsprogrammen für E-Mails wie PGP.  Darüber hatte er am ersten Tag der Konferenz schon ausführlicher gesprochen. Verschlüsselung könne auch sexy sein, hatte Appelbaum gemeint. (Alexandra Föderl-Schmid, derStandard.at, 7.5.2014)