Um die soziale Durchmischung an den Hochschulen zu steigern, empfehlen Experten einen Ausbau des FH-Sektors und Schulreformen.

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Wien - Wer ab Herbst studieren will, muss sich in einigen Fächern schon jetzt in Self-Assessments, Aufnahmeprüfungen oder Gesprächen behaupten - das Self-Assessment für das Lehramtsstudium an der Uni Wien startete diese Woche; die Bewertung der künstlerischen Arbeiten, die über die Aufnahme an der Akademie der bildenden Künste entscheiden, erfolgte vergangene Woche.

In immer mehr Studienfeldern wird der Zugang reguliert - die Aufnahmeprüfungen für das Lehramtsstudium finden heuer etwa zum ersten Mal statt. Nicht immer gelingt es bei den Zulassungsverfahren, nur die geeignetsten Anwärter für ein Studium zu finden. Viele der Beschränkungen wirken auch sozial selektiv - etwa nach Bildungshintergrund, Einkommen oder Geschlecht: Seit der Eignungstest für das Medizinstudium eingeführt wurde, wird kritisiert, dass zu diesem zwar mehr Frauen als Männer antreten, doch mehr Männer ihn bestehen.

Zugangsbeschränkungen, zu wenige Möglichkeiten, berufsbegleitend zu studieren, das jahrelange Ausbleiben der Inflationsanpassung der Studienbeihilfen und nicht zuletzt das Schulsystem: Für den Vorsitzenden der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) Florian Kraushofer sind die Gründe für die schlechte soziale Durchmischung an den österreichischen Unis offensichtlich.

Schlechte Durchlässigkeit

Wenn man bedenke, dass "ein Studium statt fünf zehn Jahre dauert, weil man daneben arbeiten muss, um über die Runden zu kommen", würden "natürlich nur die studieren, die es sich leisten können", meint Kraushofer - "oder die, die ein bisschen wahnsinnig sind".

Die schlechte soziale Durchlässigkeit an den Hochschulen zeigt sich deutlich, wenn man die Bildungsabschlüsse der heutigen "Vätergeneration" betrachtet: In der Gesamtbevölkerung haben zwei Drittel der 40- bis 60-Jährigen einen Pflichtschul- oder Lehrabschluss - jene mit höherem Abschluss sind in der Minderheit. Unter den Vätern der Studierenden dreht sich die Quote: Pflicht- und Lehrabschlüsse sind mit nur 37 Prozent vertreten. Kinder aus bildungsnahen Familien studieren also viel häufiger.

Doch das war nicht immer so: In den Siebzigerjahren besserte sich die soziale Durchmischung mit der Öffnung der Hochschulen. Die Anfänger aus bildungsfernen Familien, also Familien, in denen der Vater keine Matura besitzt, stiegen bis Mitte der Achtzigerjahre stark an. Ende des Jahrzehnts war damit aber wieder Schluss.

"Mittelmäßig" durchmischt

Im internationalen Kontext steht Österreich mit der sozialen Durchmischung "mittelmäßig" da, sagt der Soziologe Martin Unger vom Institut für Höhere Studien, der seit 15 Jahren an den Studierenden-Sozialerhebungen beteiligt ist. Studierende aus niedriger Schicht sind in Österreich zwar "gut repräsentiert", sagt Unger, "aber von gut bis gleich repräsentiert ist es noch ein weiter Weg." Grund dafür sei vor allem das selektive Schulsystem.

Die zwei Musterländer bei der sozialen Durchmischung sind in der internationalen Vergleichsstudie Eurostudent die Niederlande und die Schweiz. Unger sieht das sozial durchlässige Schulsystem und den starken Zugang über den zweiten Bildungsweg in den Niederlanden und in der Schweiz den starken Fachhochschulsektor dafür verantwortlich. Reformen in diesen Bereichen könnten auch in Österreich zu einer "ausgewogeneren sozialen Durchmischung im Hochschulsystem beitragen", sagt Unger.

Neben dem sozioökonomischen Hintergrund schlage sich auch das Geschlecht auf die Uni-Laufbahn nieder, sagt Barbara Schober, Professorin für Psychologische Bildungsforschung an der Uni Wien. Mädchen haben generell bessere Noten, schneiden aber vor allem in standardisierten Tests in Mathematik und Naturwissenschaften schlechter ab. Unterschiede sieht Schober etwa in Motivation und Interesse. Diese wurzeln in der "irrsinnigen Wirksamkeit von Geschlechtsstereotypen und spezifischen Erwartungen".

Online-Bildung für alle

Die Uni als selektives System, das einer Bildungselite vorbehalten bleibt, aber nicht für alle sozialen Schichten durchlässig ist, ist nicht nur in Österreich ein Problem. Ausgehend von den USA gewinnen Massive Open Online Courses (MOOCs) seit 2012 zunehmend an Popularität. "Bildung für alle" ist meist deren erklärtes Ziel. "Unsere Mission ist es, zugängliche und leistbare höhere Bildung in die Welt zu tragen", heißt es etwa bei der Online-Bildungsplattform Udacity. Statt auf staatliche Reformen zu warten, wollen die Macher Hochschulkurse auf diese Art allen Menschen frei zugänglich machen.

Der amerikanische Technikphilosoph Evan Selinger, der sich seit ihrem Aufkommen mit MOOCs beschäftigt, schrieb zuletzt in einem vielbeachteten Kommentar, dass diese zwar "Teil der universitären Kultur sein können", doch der gesellschaftliche Wert von höherer Bildung sich nicht gänzlich in den virtuellen Raum verlegen lasse. (Oona Kroisleitner, Selina Thaler, DER STANDARD, 8.5.2014)