Zur Heiligen Dreifaltigkeit, Breite Gasse 15, Wien-Neubau: "Ensembleschutz erweist sich in Wien als ungefähr so wirksam wie ein Pfefferspray gegen die Mafia."

Foto: Cremer

Jetzt hat es sogar die Bezirkszeitung bemerkt: "Neubauer Baujuwel droht der Abbruch" lautet die alarmierende Schlagzeile. Nachdem eines der schönsten Häuser des Bezirks, das Haus zur Hl. Dreifaltigkeit, Breite Gasse Nr. 15, hinter Volkstheater und Museumsquartier gelegen, für alle unübersehbar jahrelang vor sich hin verwittert war, ließ der Hauseigentümer nun die kaum noch überraschende (Geld-)Katze aus dem Sack: Er will es abreißen, aber, warum kleckern, wenn man klotzen kann, gleich gemeinsam mit dem Nachbarhaus Nr. 13; und einen Neubau errichten, der nicht nur "eine Augenweide für die Gasse" wäre, sondern "den Bewohnern auch mehr Luft und Licht" böte. Denen des Hauses, wohlgemerkt, denn die Anrainer hätten dann weniger Luft und Licht.

Unter "Augenweide" versteht der präsumtive Wohltäter aber etwas anderes als Denkmalschützer und Bezirksfunktionäre. Denn das Biedermeierhaus liegt in prominenter, rundum revitalisierter Spittelberglage (Nr. 11 etwa ist ein denkmalgeschütztes Barockhaus) inmitten einer Wiener Ensembleschutzzone.

Die Neubauer Grünen haben gemeinsam mit SPÖ und FPÖ nun beantragt, die Nr. 15 darüber hinaus unter Denkmalschutz zu stellen. Warum erst jetzt? Das Haus, um 1800 erbaut, verfügt über eine schmucke Biedermeierfassade mit Lünettenreliefs und Blendarkaden. Bereits 2005 wurde ein Unterschutzstellungsverfahren eingeleitet - aber wieder eingestellt. Aus welchen Gründen? Da würde man vom Denkmalamt gerne mehr erfahren.

Der Ensembleschutz allein erweist sich in Wien als ungefähr so wirksam wie ein Pfefferspray gegen die Mafia. So wurde zuletzt das geschützte Haus Ecke Bandgasse/Westbahnstraße abgerissen, in der Schubert-Zeit als Tanzlokal "Schafsaal" bekannt. An seiner Stelle entsteht eine überdimensionierte Schachtel - das Argument für die Aufhebung des Schutzes war: Man könne dem Eigentümer nicht zumuten, eine so kleine Wohnfläche zu bewirtschaften, womit sich freilich jeder Schutz einstöckiger Vorstadthäuser erübrigen würde. Das 1828 erbaute Nebenhaus - man bevorzugt heute die großzügige Lösung - erhält nun eine alles erdrückende Aufstockung, die weiteren Ensembleschutz obsolet macht.

Auch der strengere Denkmalschutz schützt in Wahrheit nur, wenn erstens kein potenter Interessent (Investor, Großbank, Stadt Wien, Bund) dessen Aufhebung will und zweitens niemand Baufälligkeit und wirtschaftliche Unzumutbarkeit einer Sanierung einwendet. Einer kauft ein Objekt in Spekulationsabsicht, lässt den Zahn der Zeit weiter sein Werk tun, verzichtet auf Mieteinnahmen und drückt dann auf die Tränendrüse, weil das Ganze nicht rentabel ist oder er sich eine Renovierung leider nicht leisten könne.

Drastisches Beispiel

Der Eigentümer der "Hl. Dreifaltigkeit" zum Beispiel behauptet, das seit 20 Jahren leerstehende Haus sei "abbruchreif", bestreitet aber sein Zutun: Er habe das Haus vor zwölf Jahren gekauft und "alles getan, um es zu sanieren". So frech muss man lügen können, wenn der Augenschein einen widerlegt und es offenkundig unmöglich ist, auch nur eine einzige Sanierungsmaßnahme nachzuweisen, die nicht den eigenen Finanzen gilt.

Dieses drastische Beispiel für die grassierende Biedermeierhausvernichtungswut in Wien sollte hierzulande ein Anstoß zu ernsthaftem Umdenken auch in puncto Legistik sein: Würden Denkmal- und Ensembleschutzgesetz vorschreiben, dass an der Stelle eines geschützten Objektes kein neues oder wenigstens keines mit größerer Kubatur errichtet werden darf, würden viele Baudenkmäler gewiss rasch von ihrer Baufälligkeit genesen.

Leider treten die amtlichen Denkmalschützer allzu zahn- und mutlos und meistens defensiv auf. So spotten die vielen Dachaufbauten und epidemisch wuchernden Gauben, die heute des Profites wegen genehmigt werden, jeder historischen Ästhetik. Wien ist eine Stadt, die vor allem von ihrem kulturellen Erbe lebt, atmosphärisch wie touristisch. In den letzten zehn Jahren scheint man nach Kräften bestrebt, dieses Kapital zügig zu verschleudern.

Es ist eine Schande, dass, mit rühriger Beihilfe der Behörden, besondere und typische Bauzeugen, die das Weltkriegsbombardement überstanden haben, nun einer von den Volksvertretern begünstigten Gier und damit den Baggern zum Opfer fallen. Das gilt in bereits dramatischer Weise auch für die dörfliche Struktur und Architektur der Wiener Heurigenorte, von Grinzing bis Salmannsdorf. Die Politik bemüht sich österreichweit nicht einmal, das ihr anvertraute kollektive Erbe - ob Kultur oder Natur - für die kommenden Generationen zu erhalten, sie zeigt sich willfährig gegenüber den Wünschen ökonomischer Selbstverwirklicher.

Zumindest von den grünen Stadt-Verantwortlichen darf man doch erwarten, dass ihr Hori- zont über Fußgängerzonen und Radstreifen hinausreicht und sie zum Wohl der Allgemeinheit der Bauspekulation endlich prinzipiell den Kampf ansagen - dass Maria Vassiliakou und ihrem Team die Erhaltung des naturnahen, stadthistorisch bedeutsamen Umfelds der Krieauer Trabrennbahn powidl ist, stimmt nicht optimistisch.

"Wien wird jetzt zur Großstadt demoliert", schrieb Karl Kraus 1897. Die Demolierer sind noch nicht fertig. Und einige werden steinreich dabei. Vielleicht hilft der Heilige Geist. (Daniela Strigl, DER STANDARD, 7.5.2014)