Kurt Bergmann: los vom Gängelband.

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Tatort: DER STANDARD vom vergangenen Samstag, Seite 27. Gesucht: Elisabeth Hakel. Beruf: PR-Beraterin. Derzeit: Abgeordnete zum Nationalrat. Funktion: Sprecherin für Kultur und "creative industries" (was immer man darunter verstehen will) der SPÖ. Titel des Artikels: "SP-Plan: 40 Prozent Ö-Musik, weniger Landesstudios". Wow!

Über den Vorschlag der Einführung einer österreichischen Musikquote im öffentlich-rechtlichen Rundfunk braucht man erst gar nicht zu reden. Hörfunkdirektor Karl Amon hat einen richtigen Begriff geprägt: "sinnwidrig". Noch besser wäre "unsinnig". Am Biertisch würde man sagen: "schwachsinnig". Da hilft es auch gar nichts, wenn die Kultursprecherin der ÖVP vorschnell auf den nicht fahrfähigen Zug aufspringen will. Wer im Musikland Österreich "österreichische Musik" fördern will - und da bin ich sehr dafür -, der muss sich um die Musikerziehung in den Schulen, um die Ausbildung junger Musikerinnen und Musiker, um Qualitätsanreize, um Spielstätten, um die Durchführung von Wettbewerben und Festivals für Komponisten und Künstler kümmern. Da muss auch der ORF in die Pflicht genommen werden, gar keine Frage. Nur eines ist ausgeschlossen: dem Publikum zu verordnen, was es zu hören hat und was ihm daher auch zu gefallen hat.

Ihren zweiten Vorschlag hat Elisabeth Hakel mit diesem Satz eingeleitet: "Wozu braucht ein kleines Land wie Österreich neun Landesstudios?" Da wird die stellvertretende Bezirksparteivorsitzende der SPÖ Liezen dem steiermärkischen Landeshauptmann Voves keine wirkliche Freude gemacht haben. Waren es doch die Landeshauptleute, die dieser Tage die von Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger angekündigte und längst fällige "gewaltige Reform" des ORF mit einem verkleinerten, "qualifizierten" Stiftungsrat zu Fall gebracht haben, weil sie um ein Mitspracherecht bangen, von dem nur sie glauben, dass sie es auch haben.

Ein Zyniker könnte sich also nach dem Motto "Dös schau i mir au" zurücklehnen und einfach abwarten. Das will ich nicht, vielmehr möchte ich den Reformeifer der Frau Abgeordneten in die richtigen Bahnen lenken:

Österreich ist zwar ein "kleines Land", gemessen an Fläche und Einwohnern, aber ein großes Land, gemessen an Kunst und Kultur. Österreich ist zwar ein "kleines Land", gemessen an seinen Nachbarn, Deutschland, Ungarn oder Italien, aber ein großes Land, gemessen an seiner Vielfalt.

Wozu so große Bühnen?

Wozu braucht ein so kleines Land, wieder gemessen an seiner Einwohnerzahl, so große Bühnen wie das Burgtheater oder die Staatsoper, so große Orchester wie die Philharmoniker oder die Symphoniker, warum so viele, so große Museen?

Der ORF ist die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt eines "kleinen Landes" mit dem Auftrag, dem großen Kultur- und Musikland in seiner unterschiedlichen regionalen Prägung gerecht zu werden. Man könnte auch sagen: zu dienen.

Es geht daher nicht um "gemeinsame Studios für mehrere Länder", sondern um das genaue Gegenteil.

Föderalistische Struktur

Die Landeshauptleute wären gut beraten, auf die Entsendung eines Stiftungsrates (einer von 35) und die Informationsverpflichtung des Generaldirektors vor der Bestellung eines Landesdirektors zu verzichten und dafür eine Stärkung der föderalistischen Grundstruktur des ORF durchzusetzen. Dazu gehören in etwa:

  • Mehr lokales Fernsehprogramm und damit mehr lokale Sendezeit.
  • Mehr Mitwirkung der Studios am nationalen Fernsehprogramm.
  • Mehr Autonomie in den Bereichen Personal und Finanzen.
  • Mehr Mitsprache der ORF-Kunden im Bundesland.

Wenn dann noch ein Gesetz gemacht wird, das dem ORF die Chance gibt, seine in der Bundesverfassung festgeschriebene parteipolitische Unabhängigkeit auch tatsächlich leben zu können - und nicht, wie gerade demonstriert, am Gängelband der Parteisekretariate zu hängen -, dann hätte die "Initiative" der SPÖ-Kultursprecherin großen Sinn gemacht.

Übrigens: Wozu braucht "ein kleines Land" wie Österreich neun Landesparteileitungen der SPÖ, der ÖVP, der FPÖ, der Grünen? ((Kurt Bergmann, DER STANDARD, 3./5.2014)