Es ist Mai, Gastgartenwetter, 25 Grad und mehr sind möglich. Während die Ersten schon die eine oder andere Länge im Freibad herunterspulen, stehen die wirklichen Freaks im Keller und wachseln die Tourenski: Morgen geht's auf die Glocknerstraße.
Heuer wird die Skitourengemeinde besonders häufig und wohl bis in den Juni hinein zu den Gipfeln entlang der in den 1930er-Jahren als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme erbauten Großglockner-Hochalpenstraße pilgern: Nach den starken Schneefällen südlich des Alpenhauptkamms diesen Winter liegt rund ein Drittel mehr Schnee als durchschnittlich. Mit geradezu furchteinflößenden Rotationspflügen wird die Straße Jahr für Jahr von den Schneemassen befreit, um die Wintersperre Ende April aufheben zu können.
Für die Skibergsteiger eröffnet sich dann ein wahres Paradies: Wie aufgefädelt stehen die kleinen Dreitausender direkt an der Straße, das anderenorts bei Frühjahrstouren oft notwendige Tragen der Ski kann entfallen. Es kommt aber noch besser: Viele der Tourenziele sind technisch nicht allzu schwer und erfordern meist nur Kondition für etwa eintausend Höhenmeter im Anstieg. Die Straße selbst führt schon auf bis zu 2500 Meter Seehöhe hinauf.
Für den bequemen Firngenuss in hochalpiner Landschaft muss man also nur mehr den richtigen Zeitpunkt für die Abfahrt erwischen: Der durch die nächtliche Abstrahlung gefrorene Harschdeckel soll nur wenige Zentimeter angetaut sein, dann ist der Schnee so richtig schmierig. Bei einer Tour auf das Hintere Modereck (2930 m) oder die benachbarte Noespitze (3005 m) ist dies besonders einfach: Vom Hochtor - dem höchsten Punkt der Alpenstraße - geht es in der Früh gerade einmal 500 Höhenmeter hinauf, dann kann man auf dem Gipfel auf den geeigneten Abfahrtszeitpunkt warten.
Hinunter geht es dann die Weißenbachrinne, eben so weit, wie der Schnee reicht; normalerweise bis zirka 2000 Meter Seehöhe. Für den Gegenanstieg retour zum Hochtor kann man sich Zeit lassen, dann ist es nämlich schon ziemlich egal, wenn der Schnee tief und ein wenig batzig ist.
Auf das Freibad muss man trotzdem nicht verzichten. Im Gegenteil: Frühjahrsskitouren müssen spätestens zu Mittag abgeschlossen sein. Nach einer Einkehr beim Mankeiwirt geht es mit dem Auto wieder ins Tal, dann steht einem Sprung ins Wasser nichts mehr im Weg - beispielsweise in den um diese Jahreszeit allerdings ziemlich frischen Pinzgauer Zeller See. Also: Ski wachseln und Badehose einpacken. (Thomas Neuhold, DER STANDARD, Album, 3.5.2014)