Barbara Prammer hat am Montag mit großem medialem Echo einen Vorschlag zur Reform der Untersuchungsausschüsse abgelehnt, den ich bereits vor eineinhalb Jahren gemacht habe und von dem ich auch heute noch überzeugt bin, nämlich dass ein Richter den Vorsitz in einem U-Ausschuss führen muss.

Die Präsidentin begründet ihre Ablehnung damit, dass sie "kein Gerichtsverfahren im Parlament" haben wolle. Aber warum eigentlich nicht? Ich kann nur vermuten, dass es ihr dabei um die Gewaltentrennung geht, auch um das Selbstbewusstsein der Parlamentarier vielleicht. Aber ist es nicht auch für einen Schiedsrichter bei einem Fußballspiel unbedingte Voraussetzung, dass er keinem der spielenden Klubs angehört? Leidet darunter das Selbstbewusstsein der Fußballspieler? Ist die Gewaltentrennung in unserer Verfassung nicht unzählige Male durchbrochen von einem System der "Checks and Balances", also von Berührungspunkten, an denen sich die Gewalten gegenseitig kontrollieren?

Konzept und Realität

Barbara Prammers Aversion gegen ein Gerichtsverfahren im Parlament ist wahrscheinlich auch damit begründet, dass die ursprüngliche Aufgabe des Untersuchungsausschusses eine andere war. Er sollte - nomen est omen - schlicht eine Angelegenheit untersuchen und dabei Zeugen befragen. Ich glaube, jeder, der in den letzten zehn Jahren einer Sitzung eines Untersuchungsausschusses beigewohnt hat, kann bestätigen, dass die Realität sich von dieser ursprünglichen Absicht längst verabschiedet hat.

Ausschuss als Bühne

Die Opposition hat den Ausschuss zu einer Bühne gemacht, was aus meiner Sicht übrigens völlig verständlich ist. Zeugen werden nicht befragt, sie werden angegriffen. Unterlagen und Akten werden in Millionenseitenstärke angefordert, und sie werden natürlich subjektiv und selektiv gefiltert und vorgetragen. Dies steht dem Ziel einer objektiven Untersuchung entgegen, denn um die geht es den handelnden Akteuren schon lange nicht mehr. Die nächste Schlagzeile im Boulevard, der mit Sicherheit der eine oder andere Leitartikel in den Qualitätszeitungen folgen wird, muss erzeugt werden. Dass der Wahrheitsgehalt dieser "Enthüllungen" kaum je für ein Gerichtsverfahren reicht, stört dabei weder den "Enthüller" noch die Medien.

Gerüchte schaden

Diese geänderte Zielsetzung erklärt auch die vollkommen verschiedene Beurteilung der vergangenen Ausschüsse durch Regierungsparteien und Opposition. Gerade als Abgeordneter der ÖVP ist mein Ziel die objektive Untersuchung, denn nur so können wir unsere Vorstellungen für die Zukunft wieder ohne den Schatten angeblicher vergangener Verfehlungen präsentieren. Der Opposition geht es natürlich genau darum nicht. Sie weiß, dass ein ständig angeheiztes Gerücht uns mehr schadet als ein endgültiges Urteil.

Das gilt natürlich genauso für die SPÖ, weshalb mich die Haltung von Barbara Prammer verwundert. Denn nur wenn wir die Regeln für den Untersuchungsausschuss an die eines Gerichtsverfahrens angleichen, können wir eine objektive Untersuchung wieder sicherstellen. Nur wenn der Zeuge seine Rechte und Pflichten bei einer Befragung kennt und wenn diese fair sind, ersparen wir uns nutzlose und peinliche Auftritte, wie sie im letzten Untersuchungsausschuss vorgekommen sind. Nur wenn auch die Abgeordneten wissen, wie weit sie in der Selbstdarstellung gehen dürfen und welche Unterlagen sie medial verwerten dürfen, ist gewährleistet, dass laufende Ermittlungen nicht beeinträchtigt werden und das Ansehen ihres eigenen Berufsstandes durch absurde Interpretationen nicht weiter beschädigt wird.

Dieses Regelwerk gibt es schon. Es wurde über zwei Jahrhunderte im Strafprozessrecht entwickelt, und es hängt an einer unabdingbaren Voraussetzung: dem unabhängigen Richter. (Wolfgang Gerstl, Leserkommentar, derStandard.at, 30.4.2014)