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Als Spezies ist der Koala (Phascolarctos cinereus) wegen seines derzeit noch großen Verbreitungsgebiets vorerst nicht gefährdet. Die KIDS-Krankheit setzt den Beständen jedoch ebenso zu wie die schrumpfenden Lebensräume.

Foto: REUTERS/Ina Fassbender

Wien - Das Koala-Retrovirus (KoRV) ist das bislang einzig bekannte Retrovirus bei Tieren, das zurzeit beim Eindringen in das Erbgut von Keimzellen beobachtet werden kann und danach von Generation zu Generation weitervererbt wird. Wissenschafter, darunter Experten des Tiergartens Schönbrunn, haben nun das KoRV-Genom untersucht. Im Fachjournal "PLOS ONE" berichten sie, dass sich das Retrovirus seit 130 Jahren kaum verändert hat und über Generationen das Immunsystem der Tiere schwächt.

Die Krankheit

Das Koala-Retrovirus löst das AIDS-ähnliche "Koala Immune Deficiency Syndrome" (KIDS) aus. Im Norden Australiens ist das Retrovirus nach Angaben des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin schon weit verbreitet; die dortigen Populationen sollen nahezu vollständig infiziert sein. Im Süden und auf Inseln in der Nähe des australischen Festlands tritt es hingegen noch selten auf.

Eine Infektion kann bei den Tieren ernsthafte gesundheitliche Probleme zur Folge haben. Die Viren schwächen die Immunabwehr, Sekundärinfektionen könnten dann zum Tod der Tiere führen, erklärte die an der Studie beteiligte Veterinärmedizinerin Hanna Vielgrader vom Tiergarten Schönbrunn. In Teilen Australiens wird das Retrovirus für den überwiegenden Anteil von Todesfällen unter in Gefangenschaft lebenden Koalas verantwortlich gemacht.

Die Untersuchung

Die Wissenschafter haben das Genom des KoRV mit einer neuen Technik untersucht, der sogenannten Hybridisierungs-Einfang-Methode. Sie nutzten dazu frisch gewonnene Proben der Erbsubstanz ebenso wie solche, die von Koala-Häuten aus Museumsbeständen des späten 19. und 20. Jahrhunderts stammen, um Änderungen des Virus über etwa 130 Jahre nachzuverfolgen. Proben stammten dabei auch von den Koalas im Tiergarten Schönbrunn und aus Beständen des Naturhistorischen Museums Wien.

Über Modellierungen der vom KoRV produzierten Proteine stellte das Forscherteam fest, dass sich das Koala-Retrovirus in den vergangenen 130 Jahren kaum verändert hat und somit über mehrere Generationen die Koalas schwächte. Kürzlich gefundene Varianten des Koala-Retrovirus (KoRV-B und KoRV-J) wurden in den Museumsproben nicht nachgewiesen und sind vermutlich erst vor kurzem entstanden. Die Forscher schließen daraus, dass das Virus durchaus die Fähigkeit besitzt, sich plötzlich zu verändern. Neue und unvorhersehbare Krankheiten könnten die Folge sein.

Evolutionäre Aspekte

"Generell deuten die Ergebnisse der Studie darauf hin, dass der Einbau der Retrovirus-DNS in die Koala-DNS öfter und schneller als bisher angenommen von statten geht. Interessant ist auch, dass sich die Retrovirus-DNS anfangs kaum ändert. Um jedoch Bestandteil aller Mitglieder einer Wirtspopulation zu werden, braucht das Retrovirus offensichtlich eine lange Zeit", erklärte Projektleiter Alex Greenwood vom IZW.

Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Entwicklung großer Teile der Säugetiergenome durch mehrfachen und zum Teil schnellen Einbau der Erbsubstanz von Retroviren in das Wirts-Genom beeinflusst wurde. Die Wissenschafter vermuten, dass solche Prozesse bei vielen Tierarten über lange Zeit unbemerkt ablaufen, bis es zu einer Merkmalsausprägung für eine Art kommt. (APA/red, derStandard.at, 30. 4. 2014)