Graz - Der öffentliche Druck war nun doch zu stark geworden. Mit Pathos in der Stimme verkündete am Dienstag der für den Pflegebereich zuständige ÖVP-Landesrat Christopher Drexler - flankiert von den Landeshauptleuten und den Klubchefs von SPÖ und ÖVP - im Weißen Saal der Grazer Burg: "Wir werden den Pflegeregress mit 1. Juli abschaffen." Die neue Regelung werde bis 2018, bis es zu einer gesamtösterreichischen Neulösung der Pflegefinanzierung kommt, gelten. Auch der Regress bei der Mindestsicherung werde abgeschafft.

Gegen das Argument, nur steirische Kinder von Pflegebedürftigen werden über den Regress zur Kassa gebeten, habe man nicht mehr ankämpfen können, man sei argumentativ in die Sackgasse geraten, bekannte Drexler.

Angst vor Wahl 2015

Die "Reformregierung" unter SPÖ-Landeshauptmann Franz Voves und ÖVP-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer sah sich wegen des andauernden und zum Teil massiven Protestes gegen den 2012 wiedereingeführten Regress jetzt ganz offensichtlich gezwungen, noch rechtzeitig vor den Gemeinderats- und Landtagswahlen 2015 die Reißleine zu ziehen. Die Oppositionsparteien, zuletzt auch die eigenen Parteireihen, die Gewerkschaft, die Bundesparteien, Arbeiter- und auch Wirtschaftskammer hatten den steirischen Alleingang massiv kritisiert. Die Kronen Zeitung fuhr eine eigene Kampagne gegen den Regress. Mit dem Wechsel im Pflegeressort - Landesrätin Kristina Edlinger-Ploder (ÖVP) musste für Klubchef Christopher Drexler Platz machen - kündigte sich die Wende an.

Drexler wie auch Voves versprachen eine "Nachdenkphase". Es war dann nur noch eine Frage der Argumentation, wie die Abschaffung begründet wird, nachdem Voves und Schützenhöfer bis zuletzt hartnäckig auf den Regress als Beitrag zur Budgetkonsolidierung bestanden hatten.

6200 betroffene Regresszahler hatten 2013 elf Millionen Euro ins Budget gespült. Die budgetäre Lücke soll jetzt mit Verkäufen von Vermögenswerten des Landes ausgeglichen werden, sagte Landeshauptmann Franz Voves. Er muss bis 2018 rund 40 Millionen Euro auftreiben. Spekuliert wird über eine Abstoßung von Hypo-Anteilen oder den Verkauf von Landeswohnungen.

Voves attackiert Bund

Voves nützte die Gelegenheit, der öffentlichen Rücknahme des Regresses, um in die Offensive gegen den Bund zu gehen. Hier in der Steiermark habe man mit einer Verwaltungsreform "die Hausaufgaben" gemacht und 250 Millionen Euro eingespart, die Bundesregierung solle es den Steirern gleichmachen und endlich eine Strukturreform anpacken. Bis zu drei Milliarden Euro seien in der Bundesverwaltung drinnen. Das böte genügend Raum für eine neue bundesweite Pflegefinanzierung. (Walter Müller, DER STANDARD, 30.4.2014)