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Vor dem Goldenen Horn, dem bekannten Strand auf der Insel Brac nahe Split, sollen laut Medienberichten ergiebige Ölreserven schlummern.

Foto: AP/Norman-Culp

Zagreb/Wien - Meeresbewohnern entlang der kroatischen Küste dürften die seismischen Untersuchungen auf Öl und Gas nicht entgangen sein. Im Abstand von etwa zehn Sekunden wurden von einem Schiff aus monatelang mit Schallkanonen (Airguns) rund 230 Dezibel laute Luftdruck-Explosionen erzeugt. Die Schallwellen durchdrangen den Meeresgrund, die geologischen Schichten reflektierten den Schall unterschiedlich. Die derzeitige Aufregung in Kroatien lässt vermuten, dass die reflektierten Schallwellen Aufschlüsse über ergiebige Öl- und Gasfelder gaben.

Anfang April gab Kroatien die öffentliche Ausschreibung für Probebohrungen und andere Untersuchungsmaßnahmen bekannt. Bis spätestens 2015 will das Land erste Konzessionen erteilen. "Wir waren in den letzten 20 Jahren untererforscht, speziell vor der Küste", sagte Wirtschaftsminister Ivan Vrdoljak. Das Land hofft, dass sich Großkonzerne wie Exxon, Shell oder Agip um Bohrgenehmigungen bemühen. 20 Gesellschaften hätten bereits Interesse signalisiert. Ziehen die erwarteten Öl- und Gaslagerstätten die Unternehmen an, erwarten Experten für die nächsten fünf Jahre allein in Untersuchungsaktivitäten Investitionen in Höhe von 2,5 Milliarden Dollar.

Keine Zukunftsmusik

Mit der Ausbeutung der vermuteten Rohstoffquellen könnte das neue EU-Mitglied einer prosperierenden Zukunft entgegenblicken. Diese Aussicht ist in wirtschaftlich angespannten Zeiten nicht gerade selbstverständlich. Nicolas Entrup von der Umweltschutzorganisation OceanCare hält Öl- und Gasförderung entlang der kroatischen Küste für keine Zukunftsmusik. "Es wird definitiv in Kroatien gebohrt werden", sagt Entrup dem STANDARD. "Davon gehe ich aus."

Was das für den Tourismus in Kroatien bedeutet, ist noch völlig unklar. Mehr als 17 Prozent der Wirtschaftsleistung wurden von diesem Zweig abgedeckt. Aufschreie von Tourismusverantwortlichen halten sich derzeit in Grenzen. Mit Ölplattformen vor der Küste müsste jedenfalls der kroatische Werbeslogan "Der Mittelmeerraum, wie er einst war" wohl überdacht werden.

Massive Beschallung

Die Organisation Oceancare verfolgte schon die seismischen Untersuchungen in der Adria kritisch. Von September 2013 bis Mitte Jänner 2014 haben die Tätigkeiten des norwegischen Unternehmens Spectrum Geo gedauert, sagt Entrup. Dabei seien durch die massive und extrem laute Beschallung Meerestiere in Gefahr geraten.

Wegen der Belastung und des Stresses könnten die Tiere künftig Gebiete meiden, wo sie Lärm ausgesetzt waren. Die akustische Orientierung wird beeinträchtigt, was auch Auswirkungen auf das Nahrungs- und Paarungsverhalten hat. Laut Oceancare hat sich der Unterwasserlärm in den letzten 60 Jahren - auch aufgrund seismischer Untersuchungen - etwa alle zehn Jahre verdoppelt. Unterwasserlärm wirkt sich auf mindestens 55 marine Arten negativ aus. Im schlimmsten Fall führt massiver Lärm zum Tod oder zur Strandung von Meeressäugern.

Ein fatales Zeichen

Forscher Drasko Holcer hält es für ein fatales Zeichen, dass Kroatien vor den seismischen Untersuchungen keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchführen ließ. Auf alternative Technologien wie "Marine Vibroseis", das mit geringerem Schalldruck auskommt, wurde verzichtet.

"Es ist offensichtlich, dass die kroatische Regierung so schnell als möglich Einkommen aus Öl und Gas aus der Adria generieren will", sagt Holcer dem STANDARD. Er hofft, dass staatliche Stellen bei der Genehmigung von Bohrkonzessionen mehr Wert auf Umweltschutz legen. "Bis jetzt hat unsere Lobbyarbeit in Zeiten der Wirtschaftskrise aber nicht sehr viel genützt."

Ölhoffnung in Griechenland

Auch vor der Küste Griechenlands sollen große Öl- und Gaslagerstätten schlummern. Seismische Untersuchungen vor Kreta und im Ionischen Meer wurden 2013 abgeschlossen. Das Krisenland erwartet sich Milliardengewinne aus den Rohstoffen im Mittelmeer. Vor Zypern, der Türkei, dem Libanon oder Israel wurden ebenfalls Gasmengen gefunden. (David Krutzler, DER STANDARD, 30.4.2014)