Max Wegscheidler alias J.J. Kucek.

Foto: STANDARD/Gubisch

Graz - "Arm, aber sexy", so habe er sich sein Leben erklärt, erklärt der Grazer Fotograf Max Wegscheidler den Umstand, dass er zwar mit Kampagnen andere Firmen reich machte, aber ihm selbst nie wirklich viel übrig blieb. "Heute nenne ich das Prekariat", sagt der 43-Jährige, der nach einem abgebrochenen HTL-Besuch und der mit Auszeichnung abgeschlossenen Grafikerausbildung zum "spannendsten, schönsten Beruf, den es gibt" fand: der Fotografie. An Friedl Kubelkas Schule für künstlerische Fotografie in Wien habe er "alles gelernt, was ich über das Fotografieren weiß". Nachdem es in der Kunst lief - er gewann als "linkslinker Arbeiterfotograf" (Wegscheidler) Preise -, versuchte er sich ab 1997 mit dem Pseudonym J.J. Kucek als Pressefotograf - auch für den STANDARD.

Als Attentäter Franz Fuchs gefasst wurde, machte Fotoreporter Elmar Gubisch das erste Bild von Fuchs und verkaufte es mehreren Zeitungen. Bei seinem Stammblatt, einer Boulevardzeitung, verlor er aber seine Stelle. Sein Wochenendgehilfe Wegscheidler war Nutznießer. "Unabsichtlich", betont dieser, doch beide waren lange zerstritten. Das Klima ist hart im Prekariat. "Heute sind wir aber enge Freunde."

Um die Zukunft machte sich der selbstständige Fotograf lange keine Sorgen. Wenn er hungrig war, ging er als "Wirtshauskind" heim essen. "Mein Kinderzimmer war dort, wo heute die Sky Bar ist", lacht Wegscheidler. Sein Vater führte das ehemalige Schlossbergrestaurant, Sohn Max wuchs auf dem Grazer Schlossberg auf, fuhr mit der Standseilbahn zur Schule.

"Die Kreativen glauben mit 20 nicht, dass sie einmal 30 sind, mit 30 nicht, dass sie 40 werden, und mit 40 merken sie nicht, dass sie 40 sind." Doch 2013 kam das Burnout-Syndrom - nichts Erspartes, keine Altersvorsorge: "Auf einmal wachst in der Früh auf mit der Nase an der Wand", erinnert er sich, "noch immer arm, aber nimmer sexy." Er öffnet seine Fototasche auf dem Tisch des Cafés: neben der Kamera eine Gelenksstütze und eine Flasche Franzbranntwein.

Pressefotohonorare seien seit den 1990ern inflationsbereinigt gleich. "Man hat heute weniger Materialkosten, aber auch weniger Aufträge", rechnet er vor. Durch Onlinemedien müsste man zehnmal so viele Aufträge bekommen, um auf das Gehalt von früher zu kommen. Das geht sich nicht mehr aus. Obwohl es nicht viele Pressefotografen in Österreich gebe: "Alle zusammen kriegen wir keine zwei Reisebusse voll."

Wegscheidler ist nun erstmals angestellt: "20 Stunden Gleitzeit beim Foto-Onlinehändler. Das befreit mich vom Preisdruck der Medien. Man muss sich vom Beruf trennen, auch wenn's wehtut." Am 1. Mai werde er Aufmärsche von KPÖ und SPÖ fotografieren. Was er von der Politik fordert: "Sie soll dafür sorgen, dass diverse Ausbildungsstätten nicht noch mehr Härtefälle für die Medienbranche produzieren, und Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass wir alle aufeinander schauen können. Das ist ihre Aufgabe." (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 29.4.2014)