Thomkins: "Knopfei" (1958/1977).

Foto: Bildrecht, Wien, 2014: André Thomkins

Graz - Die Idee zu seinen Lackskins kam ihm beim Streichen eines Kinderbettchens. Als er den Pinsel in Lösungsmitteln reinigte, bemerkte André Thomkins die faszinierenden Figuren, die sich an der Oberfläche der Flüssigkeit bildeten. Bilder, die an medizinische Aufnahmen von Organen erinnern, sowie Serien von farbenfrohen, großformatigen Arbeiten waren die Folge. Die Gabe mit einem anderen, oftmals schrägen Blick auf das Alltägliche, auf Gegenstände und Räume zu schauen, feuerte das innovative Werk des Schweizers an: "Kunst macht aus Etwas etwas Anderes. Kunst ist homogen, aus Gleichem entwickelt."

Seit 1955, seit seiner Übersiedelung nach Essen, pflegte der Schweizer regen Austausch mit anderen Künstlern und Architekten, etwa Daniel Spoerri, Eckhard Schulze-Fielitz, Carlheinz Caspari, Nam June Paik, Dieter Roth, Joseph Beuys und Marcel Broodthaers. Als er 1985 im Alter von 55 Jahren starb, hinterließ er ein vielseitiges, experimentierfreudiges und oft humorvolles Oeuvre.

In seiner Gesamtheit kann man sein Werk nun in der Ausstellung André Thomkins - Eternal Network kennenlernen. Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem Kunstmuseum Liechtenstein. Auf das ausdrückliche Betreiben von Günter Brus wurden dafür erstmals die Räume des Bruseums im Grazer Joanneumsviertel für einen anderen Künstler geöffnet.

Thomkins und Brus - das passt irgendwie zusammen, nicht nur, was das Augenzwinkern und den Humor angeht. Auch das Spartenübergreifende verbindet beide Künstler. So fügt sich die von Dagmar Streckel und Roman Grabner kuratierte Schau stimmig in den Nischen und Bögen des Bruseums: Lackskins, Installationen aus Holz und Nudelware, Zuckerwürfeln und Zimtstangen - einige dieser Objekte aus Lebensmitteln konnte man ab 1968 im Restaurant Spoerri von Thomkins' Freund Daniel Spoerri in Düsseldorf erstehen. Auch Architekturmodelle und Pläne, in denen sich Thomkins mit Labyrinthen spielte, sind zu sehen. Wunderbar Thomkins' "Zeichnungen" mit roten gewöhnlichen Gummibändern. Eine dieser Serien aus 1967 nannte er 17 bürokratische Zeichnungen mit Gummiringen und Tape als Schreibtischtheater.

Bemerkenswert war Thomkins' Sprachgefühl, wie es in seinen Palindromen und Anagrammen dokumentiert ist. Das Palindrom dogma I am god gibt es in einer Oblatenausführung, da trafen sich die Lebensmittelobjekte mit der Sprachkunst. Ein Beweis, dass in seiner Welt zwischen Dada, Surrealismus und Fluxus alles in einem unendlichen Netzwerk oder eben "eternal network", wie es Thomkins nannte, permanent wieder zusammenfließt. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 29.4.2014)