Wie politische Bildung an Schulen ausschauen soll, darüber diskutierten Thomas Gaar (SU) und Claudia Satler (AKS) mit Nadine Dimmel und Philipp Koch (v. li.).

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STANDARD: Ihr seid Studenten, repräsentiert aber Schüler - wie soll das eigentlich funktionieren?

Gaar: Keine Sorge: Bei der Bundesschülervertretung, also der gesetzlichen Vertretung, gibt es schon die Verpflichtung, dass man noch in der Schule sein muss. Aber natürlich herrscht auch in unserer Organisation der Anspruch, der Schule noch sehr nah zu sein, deswegen kannst du auch nur bis drei Jahre nach Schulaustritt aktiv sein.

Satler: Bei uns gibt es lediglich im Bundesteam Studierende, die die AKS organisieren. Hier wäre nämlich der Arbeitsaufwand für Schüler einfach zu hoch.

STANDARD: Bei den Internetauftritten bezeichnen sich eure beiden Organisationen als "größte Schülervertretung Österreichs". Wer hat denn nun recht?

Gaar: Natürlich muss man das an objektiven Maßstäben messen, etwa den Landes- und Bundeswahlen: Dort haben wir die deutliche Mehrheit von den Mandaten. Gleichzeitig sind in der Schülerunion rund 400 Ehrenamtliche aktiv, womit wir auch die meisten Funktionäre haben.

Satler: Die AKS funktioniert eher nach einem losen Aktivistenprinzip, bei dem man sich nicht formell als Mitglied einträgt. Wir veranstalten viele Diskussionsrunden und Seminare, bei denen bis zu 250 Leute aktiv sind. So gesehen ist die AKS eine sehr schnelllebige Organisation, bei der es schwierig ist, die Zahl der tatsächlich Aktiven zu bemessen.

STANDARD: In der Bundesschülervertretung ist die AKS bei 29 Plätzen nur durch ein einziges Mandat vertreten (siehe Grafik unten). Wie werdet ihr da überhaupt gehört?

Satler: Durch Öffentlichkeitsarbeit, Medienaktionen und Presseaussendungen versuchen, wir auf unsere Forderungen aufmerksam zu machen. Natürlich ist das nicht immer leicht, da die gesetzliche Vertretung im Bildungsministerium mehr gehört wird.

STANDARD: Wie fair findet ihr das indirekte Wahlsystem, bei dem 29 Personen rund 1,1 Millionen Schüler repräsentieren?

Satler: Klar ist die Frage der demokratischen Legitimation gegeben, zumal nur so wenige Schüler überhaupt wissen, dass es die gesetzliche Vertretung gibt. Die AKS fordert daher seit Jahren, dass die Landes- und Bundesschülervertretung von allen Schülern Österreichs direkt gewählt wird.

Gaar: Für uns bedeutet mehr Demokratie an Schulen vor allem, dass Schülerparlamente ausgerichtet werden und auch die Schülervertretung im Lehrplan behandelt wird. Vor einer Direktwahl schrecken wir jedoch zurück, weil das vor allem Gruppen bevorzugen würde, die viele finanzielle Mittel haben. Wir befürchten, dass dann die Parteien in die Schulen kommen und aus jungen Leuten Berufspolitiker machen. In der Schule hat Parteipolitik nichts zu suchen.

STANDARD: Das Fach Politische Bildung ist eine eurer gemeinsamen Forderungen. Wie stellt ihr euch das konkret vor?

Gaar: Abgesehen von Institutionen wie dem Nationalrat oder davon, wie der Weg eines Gesetzes ausschaut, soll auch eine Auseinandersetzung mit Alltagsthemen stattfinden, um die Schüler zu kritischen Bürgern zu erziehen. Mit 13 Jahren ist für uns der ideale Zeitpunkt, das Fach einzuführen: Da hat man bereits genug Grundwissen in Geschichte, zudem steht die erste Wahl bald bevor. In der Oberstufe sollte man darin auch maturieren können.

Satler: Ich glaube, politische Bildung sollte schon im Volksschulalter beginnen. Die Kinder müssten von Anfang an die Möglichkeit haben, den Schulalltag mitzugestalten und spielerisch demokratische Prozesse zu erlernen.

STANDARD: Kommen wir zur Zentralmatura: Viele Schüler sträuben sich gegen die 60-Prozent-Hürde bei den Grundkompetenzen in Mathe. Wieso hat die Schülerunion daran festgehalten, obwohl ihr bei den Verhandlungen mit dem Unterrichtsministerium wohl die Chance hattet, diese abzuschaffen?

Gaar: Wir mussten dabei die Waage finden: Einerseits wäre die Matura natürlich leichter zu bekommen gewesen, andererseits aber auch im internationalen Vergleich weniger wert. Dafür haben wir andere Besserungen durchgesetzt, etwa dass es nun eine Übungsplattform im Internet für Schüler gibt, wofür das Bifie eine Schularbeit nach dem zentralen System zur Verfügung gestellt hat. Auch wurde die Vorbereitungszeit von zwei auf drei Wochen verlängert.

STANDARD: Viele Schüler halten die Schülerunion und die AKS für reine Organe der ÖVP und der SPÖ. Wie parteitreu seid ihr wirklich?

Satler: Wer auf unseren Wikipedia-Artikel gestoßen ist, wird bemerkt haben, dass die AKS im Statut der SPÖ steht. Unser Anspruch ist aber, ungeachtet dessen eine linke SchülerInnenvertretung zu sein. Wir haben unsere eigene Vorstellung von einem sozialen Bildungssystem.

Gaar: Da sich die Schülerunion nur auf Schulpolitik begrenzt und im Gegensatz zur AKS keine Gesellschaftspolitik betreibt, sind wir inhaltlich keiner Partei zuzuordnen. Schulpolitisch werden unsere Ideen von mehreren Parteien vertreten - aber natürlich unterstützt uns die eine Partei mehr als die andere. (DER STANDARD, 28.4.2014)