Dass ein internationales Schiedsgericht künftig darüber urteilen könnte, wenn ein US-Konzern Österreich oder ein anderes europäisches Land auf Schadenersatz klagt, sorgt für Empörung. Greenpeace, die Grünen, Attac und die Arbeiterkammer sehen in den Sonderklagerechten, die ein Teil des geplanten Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA sein sollen, einen Anschlag auf die Rechtsstaatlichkeit. Ihre Warnung hat selbst bei Kanzler Faymann Eindruck hinterlassen, der Skepsis gegen die Sonderklagerechte äußert.

Doch vieles spricht dafür, dass hier überzogene Angstmache betrieben wird. Die Schiedsgerichte werden die Umwelt- und Menschenrechtsstandards in Europa nicht aushebeln, und sie gefährden den Rechtsstaat nicht. Belegen lässt sich dies mit einem Beispiel der Kritiker.

Greenpeace berichtet auf seiner Website von Lobbyingaktivitäten des amerikanischen Erdölgiganten Chevron bei der US-Regierung. Das Unternehmen will durchsetzen, dass die speziellen Klagerechte Teil des Freihandelsabkommens werden. Für Greenpeace ist das illegitime Einflussnahme. Aber was will Chevron?

Der Konzern investiert derzeit Millionen in die Schiefergasförderung in Europa. Das Unternehmen hat Ländereien in Bulgarien, Rumänien und Polen geleast und Probebohrrechte erworben. Doch die Förderung von Schiefergas, das Fracking, ist wegen der eingesetzten Chemikalien umstritten. Wegen Umweltbedenken wird immer wieder ein Verbot gefordert. Sollte das Parlament in Sofia oder Warschau die Sache abblasen, wäre dies politisch legitim, vielleicht sogar klug. Aber Chevron müsste so wie in jedem Rechtsstaat die Chance bekommen, auf Schadenersatz zu klagen. Warum kann das Unternehmen sein Geld nicht bei einem nationalen Gericht einfordern? Chevron könnte. Aber innerstaatliche Gerichte setzen innerstaatliches Recht um. Die Parlamente könnten Schadenersatzansprüche ausschließen. Genau deshalb macht die Einsetzung eines neutralen Schiedsgerichtes Sinn.

Nun wird eingewandt, dass Staaten der politische Spielraum genommen wird. Doch das ist falsch. Das Fracking-Verbot könnte kommen. Aber es müsste argumentiert werden. Wenn ein Land erst teuer Förderrechte verkauft, kann die Wende kosten. Kritisiert wird auch, dass Schiedsrichter leichter bestechlich sind, weil sie nicht ständig als Richter arbeiten, sondern nur ad hoc berufen werden. Aber die Schiedsrichter sind im Hauptberuf meist gut bezahlte Juristen. Es gibt keinen Grund, warum sie korrupter sein sollten als Richter in Wien oder Warschau.

Schließlich heißt es, skurrile Klagen vor schon bestehenden Tribunalen würden zeigen, wie abstrus das System ist. Chevron könnte Schadenersatz verlangen, obwohl es horrende Umweltzerstörung hinterlassen hat. Aber die Qualität eines Rechtssystems lässt sich nicht an Klagen messen, sondern an den Urteilen. Wenn morgen zehn Österreicher von der Regierung wegen Schlechtwetters Schadenersatz verlangen, heißt dies nicht, dass der heimische Rechtsstaat gescheitert ist.

Richtig ist, dass die Schiedsgerichte reformiert gehören: Die Prozesse müssen öffentlich sein, Berufungsmöglichkeiten müssen ausgebaut werden. Doch Panikmache ist fehl am Platz. Richtig gemacht könnten die Gerichte die Rechtssicherheit erhöhen und dafür sorgen, dass Investoren in Länder gelockt werden, wo sie sich sonst nie hintrauen würden. (András Szigetvari, DER STANDARD, 28.4.2014)