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Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl beginnt schon den Wahlkampf für die Wienwahl im kommenden Jahr.

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Wien – Die in knackigen schwarzen Lederjacken gekleideten "Red Biker" fordern als Interessensvertretung der Motorradfahrer die Freigabe von Busspuren für Biker, vorgezogene Haltelinien an Kreuzungen oder mehr Parkplätze. Der Verband sozialistischer  StudentInnen tritt für Entkriminalisierung von Cannabis ein. Die Bezirksorganisation Meidling will Sexualkunde als Unterrichtsfach in Schulen implementieren und Verhütungsmittel für Schüler kostenlos anbieten. Die Sozialistische Jugend tritt für den Ausbau von Notschlafstellen ein.

All das ist auch die rote Basis, die sich am Samstag beim 69. Landesparteitag der Wiener SPÖ irgendwie vom großen Mutterschiff vertreten fühlen will. An den Ständen in der Messe Wien wurde von so verschiedenen Organisationen wie dem Verband der Arbeiterfischer, den Kinderfreunden, dem Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband oder den Naturfreunden um Unterstützung geworben.

In der Halle D stand bei der Tagung unter dem Motto "Europa den Menschen. Wien leben. Wien lieben" bei der Rede von Bundeskanzler Werner Faymann zunächst die Mobilisierung für die bevorstehende EU-Wahl Ende Mai im Zentrum. Aber auch auf die kommenden Wien-Wahlen 2015 wurde die rote Basis beim 69. Landesparteitag der SPÖ eingeschworen.

"Keine Koalition mit Privatisierern"

Angriffslustig gestaltete Wiens Bürgermeister Michael Häupl seine Rede. Klartext sprach Häupl erstmals über eine mögliche landespolitische Zusammenarbeit mit den "schicken Neos", die der Bürgermeister als "neue politische Truppe" bezeichnete.  Diese würden im Parteiprogramm die Privatisierung des Wiener Wohnbaus, die Müllabfuhr oder der städtischen Entsorgung haben. "Und mit Privatisierern mache ich keine Koalition." Die Partei würde nicht kandidieren, "damit ihr Chef im Parlament Flieger spielt", sagte Häupl.

Er freue sich bereits über die nächste Diskussion mit einem Parteigenossen, der mit ihm eine Diskussion über eine mögliche Partnerschaft mit den Neos führen will. Der aktuelle grüne Regierungspartner wurde kaum erwähnt. Das Selbstbewusstsein der Roten ist weit fortgeschritten: Geht es nach Häupl, werde man sowieso keinen Koalitionspartner brauchen. "Die Freunde der Arbeiterkammer haben bei der jüngsten Wahl vorgeführt, wie das geht."

In Sachen Wohnbau und Privatisierung verbat sich Häupl eine Einmischung durch die EU. "Wettbewerb ist nicht der einzige Grundwert der Union", richtete Häupl an Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia. "Lassen Sie uns den Wohnbau so organisieren, wie wir wollen. Lassen Sie die Finger davon."  Wie berichtet will der konservative Politiker, dass vorrangig sozial schwächere Bevölkerungsgruppen vom geförderten Wohnbau profitieren. Häupl sieht darin einen Angriff auf die von ihm favorisierte soziale Durchmischung im Gemeindebau.

Bildung und Ukraine

Beim Thema Bildung konnte sich Häupl einen kleinen Seitenhieb auf die anwesende Parteikollegin und Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek nicht verkneifen. Für Häupl müsse es in Sachen Bildungseinsparungen eine "maximale Effizienz in der Verwaltung" geben. "Aber kein Sparen bei den Schülern in den Klassenzimmern." Die von Heinisch-Hosek angekündigten Millioneneinsparungen beim von Häupl forcierten Ausbau der ganztägigen Schulformen nahm Häupl mit Murren hin. Wenn es notwendig sei, Gelder für den Ausbau um zwei bis drei Jahre nach hinten zu verschieben, "dann soll es so sein." Verschieben habe aber nichts mit Einsparen zu tun.

Bundeskanzler Werner Faymann hatte sich zuvor gegen neoliberale Kräfte und Nationalismus innerhalb der EU ausgesprochen. Ihnen werde Paroli geboten. Deeskalation und friedliche Entwicklung sei Ziel der Sozialdemokraten. Faymann verurteilte die Gefangennahme von OSZE-Beobachtern durch prorussische Kräfte in der Ostukraine scharf.

Innenpolitisch erneuerte Faymann – wie auch Häupl nach ihm, der Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP) direkt angriff - die Forderung nach einer Millionärs- und Vermögenssteuer. Wird die Kluft zwischen Arm und Reich weiter größer, "brauchen wir Lobbyisten für die Rechte der Arbeitnehmer". Bei den Sparplänen im Bildungsressort stellte sich Faymann demonstrativ hinter Heinisch-Hosek. Man brauche Sparsamkeit dort, wo Sparsamkeit nötig wird – etwa bei Doppelgleisigkeiten und Verwaltungsfragen. "Liebe Gabi, alles Gute für deine Arbeit. Wir stehen hinter dir."

Keine Rede hielt hingegen – obwohl in der ersten Reihe sitzend - der Spitzenkandidat der SPÖ bei der kommenden EU-Wahl, Eugen Freund. Einen Monat vor der EU-Wahl schworen Faymann wie auch Häupl die anwesenden rund 2000 Genossen auf politische Überzeugungsarbeit in ihren Gebieten ein.  Häupl legte der roten Basis nahe, für den EU- und auch für den Wien-Wahlkampf "mutig und zuversichtlich" ans Werk zu gehen, Politik aber nicht immer bierernst zu nehmen. "Ordentlich streiten mit einem Freiheitlichen bei einem Sport-Festl. Das ist doch auch eine Gaude. Vom Schmäh allein kann man nicht leben. Aber ohne Schmäh gar nicht." 

Anträge und Resolutionen

Nach den Reden wurde über rund 130 Anträge und Resolutionen von SPÖ-Unterorganisationen abgestimmt. Abgelehnt wurden auf Vorschlag einer Kommission nur vier Anträge, darunter die Forderung der Sozialistischen Jugend nach Beendigung aller Public-Private-Partnership (PPP)-Modelle der Stadt mit privaten Investoren. Einige Anträge wurden auf Empfehlung der Parteispitze anderen Parteigremien zur Zuweisung empfohlen – was nicht gerade für eine nahende Umsetzung spricht: etwa die Entkriminalisierung von Cannabis.

Diese Vorgehensweise, sich vor einer klaren Entscheidung bei Anträgen beim Landesparteitag zu drücken, empörte Genosse Richard Schadauer. "Wir müssen Abgeordnete in die Pflicht nehmen und dürfen uns nicht drüberschlankeln", sagte der Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christentum und Sozialdemokratie (Acus). Dafür erntete Schadauer bei der Basis den größten Applaus und teilweise Standing Ovations. (David Krutzler, derStandard.at, 26.4.2014)