Neulich Abend also, es ist schon wieder eine Weile her, beim Wirten mit zwei alten Freundinnen aus gemeinsamen früheren Zeiten. Mehr als zehn Jahre oder so hat man sich nicht mehr gesehen, die eine oder andere schnelle Mail geschrieben, aber im Grunde genommen keine Ahnung mehr, was im Leben der anderen so los ist - und war.

Zehn Jahre also. Eine genügend lange Zeit, in der neue Kinder auf die Welt gekommen oder die großen von zu Hause ausgezogen sind, Jobs gewechselt und Sabbaticals angetreten wurden, Ehemänner den gemeinsamen Haushalt verlassen haben und neue wieder eingezogen sind. Unter dem Einfluss von Wiener Schnitzel und Spritz-Getränken sprudelten da ganz unterschiedliche Lebensgeschichten auf den Wirtshaustisch. Und weil man aus Prinzip neugierig ist, lässt man zu solchen Gelegenheiten, sonst eher untypisch, auch andere sehr gerne zu Wort kommen und lauscht gespannt, was die andere Frau gegenüber am Tisch alles zu erzählen hat.

So eine blöde Kuh

Ganz furchtbar habe sich die Ex-Frau ihres Mannes nach deren Scheidung aufgeführt, erzählt die eine Freundin noch immer sehr aufgebracht, obwohl das alles auch schon wieder Jahre her ist, absurd, was die alles wollte und gefordert hat, horrend, was die Kinder bis heute kosten, alles schrecklich, nie ein Nein, im Gegenteil, iPhones und Markenklamotten und nie eine Grenze. Und überhaupt, wie die ihre Kinder verzieht, das muss man dann alles wieder ausbügeln in der halben Zeit, in der die Kinder dann da sind.

Ich bin ein sehr empathischer Mensch, stets bereit zur Bestätigung meines Gegenübers ein herzhaftes "so eine blöde Kuh" zum Besten zu geben. Neulich Abend bin ich aber immer stiller geworden, meine ungewohnte Zurückhaltung höchstens von einem leisen "aha" oder schwachen "ach wirklich?" unterbrochen. Über meinem perfekt geklopften Wiener Schnitzel bin ich ins Grübeln gekommen und schlagartig wurde mir eines klar: "Hilfe!", dachte ich: "Die böse Ex, das bin doch ich!"

Und bei dir?, rief die andere Freundin in meine Richtung und düsteren Gedanken hinein, zum Glück noch kurz bevor mich der ungewollte Perspektivenwechsel vollends unter den Tisch rutschen ließ. "Bei uns", sprudelte ich wieder frisch und aufgeweckt vor mich hin: "Alles bestens. Ganz cool! Ehrlich." Und bestellte noch drei Spritzer. (Mia Eidlhuber, DerStandard.at, 27.4.2014)