Im April 2013 sorgte dieses Klimt-Bild für einen Disput. Nun kommt es wieder auf den Markt: mit neuer Datierung, neuem Schätzwert und einem alten Problem.

Foto: im kinsky

Dieser Tage jährte sich ein Disput bezüglich der Urheberschaft einer schlicht mit "Klimt" signierten Ölstudie, die das Profilporträt eines alten Mannes mit Efeukranz zeigt. Gustav: Das war die in der Literatur seit 1967 und auch in den jüngeren Werkverzeichnissen (2007 Alfred Weidinger, Prestel-Vlg.; 2012 Tobias Natter, Taschen-Vlg.) dokumentierte Ansicht. Im Vorfeld der für den 24. April 2013 anberaumten Auktion hatte die Kinsky-Geschäftsführung ergänzend die Fachmeinungen des Klimt-Dokumentars Hansjörg Krug sowie der international anerkannten Expertin für das zeichnerische Klimt-OEuvre Marian Bisanz-Prakken eingeholt.

Der einhellige Tenor: Gustav. Nein, ein Werk des jüngeren Bruders Ernst behauptete indes Alfred Weidinger, womit der Vizedirektor des Belvederes seine 2007 publizierte Meinung revidierte.

Das Interesse an dem auf bis zu 140.000 Euro taxierten Bildnis hielt sich am Tag der Auktion in Grenzen. Bei 40.000 Euro hatte Geschäftsführer Michael Kovacek dem einzigen Interessenten, konkret einem anonymen Telefonbieter, den deutlich unter dem Einbringerlimit (70.000) liegenden Zuschlag unter Vorbehalt erteilt. Um diesen Preis wollte sich der Eigentümer aber nicht von dem Kunstwerk trennen, und so blieb es unverkauft.

In Kunstpreisdatenbanken (u. a. Artprice, Artnet) wird es dennoch als verkauft gelistet (50.000 inkl. Aufgeld). Denn "im Kinsky" verschickt die Ergebnislisten mitsamt solchen durch ein Sternchen gekennzeichneten Vorbehaltszuschlägen, jedoch ohne entsprechende Erläuterung. Einerlei.

"Ich wäre eine reiche Frau ..."

Im Zuge der nächsten "Meisterwerke"-Auktion (13. 5.) buhlt der alte Mann neuerlich um die Gunst des Publikums: mit neuer Datierung (1886/87) sowie um eine Stellungnahme (pro Gustav) des Kunsthändlers Herbert Giese ergänzt. Er gilt als der Experte, wenn es um Fragen der Abgrenzung von Werken der Mitglieder der Künstlerkompanie Franz Matsch, Ernst und Gustav Klimt geht.

Dazu reduzierte sich der Schätzpreis auf verlockende 35.000 bis 70.000 Euro. Sofern der Verkauf vergangenes Jahr tatsächlich an Urheberfragen und Preisvorstellungen gescheitert sein sollte, könnte nun ein Besitzerwechsel bevorstehen.

Oder auch nicht. Denn Provenienzforschung wurde seitens Kinsky gar nicht betrieben. Weder vergangenes Jahr noch seither. Die Angaben im Katalog "Privatbesitz, Österreich" sind marginal, besonders, wenn man die mittlerweile bekannten Fakten berücksichtigt.

Denn STANDARD-Recherchen zufolge (20. 4. 2013, "Ein Quantum Klimt") war der Vorbesitzer ein gewisser Josef Galvagni, aktives NSDAP-Mitglied und Generalsekretär der Aktion Gildemeester. Diese Organisation hatte nach dem Anschluss nicht nur die Vertreibung der jüdischen Bevölkerung forciert, sondern den Vermögensentzug Auswanderungswilliger regelrecht betrieben.

Dazu hatte seine Frau in den 1960er-Jahren erklärt, sie "wäre heute eine reiche Frau, wenn mein Mann alles genommen hätte, was die Juden ihm angeboten haben, um nur rasch auswandern zu können". Brisant, denn diese Aussage schließt die Annahme von "Zuwendungen" nicht aus, sondern impliziert sie geradezu.

Das auf der Rückseite des Gemäldes befindliche Siegelwappen konnte gemeinsam mit der Heraldischen Gesellschaft zweifelsfrei als jenes der Familie Galvagni identifiziert werden.

Im Archiv des Belvederes fand sich schließlich auch der endgültige Beweis, konkret ein Schriftstück zu exakt diesem Bild (inklusive Vorbesitzerangaben), das man dem damaligen Direktor in der Hoffnung auf einen Ankauf übergeben hatte. Absender war Josefs älterer Bruder Victor Galvagni, ein in der NS-Zeit aktiver und mit vielen Arisierungen betrauter Treuhänder.

War das Klimt-Bildnis also das "Geschenk" eines Gildemeester-Teilnehmers und damit - sofern in Bundesbesitz - gemäß dem Kunstrückgabegesetz vermutlich zu restituieren? Oder erwarb es Josef Galvagni redlich im Kunsthandel? Seitens Kinsky scheinen diese Fragen und die angesichts der vorliegenden Fakten durchaus relevante Klärung der Herkunftsgeschichte offensichtlich nicht von Belang. Ein Mangel, der von potenziellen internationalen Käufern womöglich nicht goutiert wird. Auf Anfrage erklärt Geschäftsführer Michael Kovacek, eine Katalogergänzung in Erwägung zu ziehen. (kron, Album, DER STANDARD, 26./27.4.2014)