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Kritik am Angebot von Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) an die Länder, beim Ausbau der ganztägigen Schulformen heuer 50 Millionen Euro einzusparen, kommt von den Gemeinden. "Man macht eine Rechnung am Rücken Dritter, statt eine ordentliche Reform anzugehen", sagte Gemeindebund-Chef Helmut Mödlhammer am Donnerstag. Gegen eine Kürzung der Mittel für den Ausbau der ganztägigen Schulformen sprechen sich auch Arbeitnehmer- und Wirtschaftsvertreter aus. "Wir sind dagegen", fasste es Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske in einer Aussendung zusammen.

Der von den Bildungslandesräten am Mittwochabend wohlwollend zur Kenntnis genommene Vorschlag sieht vor, statt wie ursprünglich geplant 160 Millionen Euro pro Jahr bis 2018 heuer nur 110 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Die abgezwackten 50 Millionen Euro sollen dann bis 2018 wieder angehängt werden. Bei den Mitteln handelt es sich um eine Anschubfinanzierung für die Gemeinden, die damit Umbaukosten an den Schulen sowie die Anstellung von Freizeitpädagogen finanzieren. Heinisch-Hosek begründete die Maßnahme auch damit, dass die zur Verfügung stehenden Mittel dafür ohnehin nicht zur Gänze abgeholt würden.

Mödlhammer verärgert

Mödlhammer ärgert sich, dass Bund und Länder damit genau jene Einsparungsvariante gewählt hätten, die nicht sie selbst betreffe. "Ein bisserl aufschieben, ein bisschen verschieben, ein bisserl zuschieben - genau das verärgert die Menschen", sagte Mödlhammer. "Es ist bedauerlich, dass man nicht den großen Schnitt in der Verwaltung gemacht, sondern wieder zulasten der Eltern entschieden hat. Wir haben diese Betreuungsgelder unter großen Kämpfen erreicht, und jetzt streicht man sie mit einem Federstrich, ohne mit uns darüber auch nur zu sprechen."

Dass die Gemeinden nicht alle bisher zur Verfügung stehenden Mittel (2012 und 2013 waren das je 80 Millionen Euro, ab 2014 war die Erhöhung auf 160 Millionen geplant) abholen, habe einen Grund: "Die Gelder wurden nicht vollständig abgerufen, weil man die Bedingungen dafür viel zu hoch geschraubt hat. In den 15a-Vereinbarungen haben Bund und Länder viel zu hohe Anforderungen festgelegt." So gebe es lediglich eine Anschubfinanzierung - nach deren Auslaufen würden die Gemeinden etwa auf den Kosten für die Freizeitpädagogen sitzen bleiben. Er verstehe nicht, warum man nicht einfach einen bestimmten Fördersatz pro betreutem Kind oder pro Stunde festgelegt habe.

Bürokratische Ebene

"Mir wäre wesentlich lieber gewesen, wenn man bei der aufgeblähten Schulverwaltung spart", so Mödlhammer. "Man hätte locker eine bürokratische Ebene wegbringen können - es gibt noch immer parallel Landesschulräte und Schulabteilungen des Landes." Das sei für die Gemeinden als Schulerhalter belastend: "Ständig wird da Neues beschlossen, schaffen wir doch einmal eine Ebene ab." Ideal wäre es seiner Ansicht nach, wenn der Bund die Rahmengesetze vorgeben würde und die Länder die Ausführung regeln wie etwa beim Bundesstraßenbau.

An die Ankündigung der Ministerin, die heuer nicht ausgeschütteten Mittel bis 2018 wieder anzuhängen, glaubt Mödlhammer nicht: "Das ist so, wie wenn ich das Blaue vom Himmel verspreche. Ich glaube nicht, dass wir 2018 dann das Füllhorn haben. Dieses Versprechen kann man nicht einhalten - genau deshalb haben die Menschen so wenig Vertrauen in die Politik." Gerade bei der Nachmittagsbetreuung würden die Bürgermeister unter starkem Druck stehen: "Was soll ich tun, wenn die Eltern vor der Tür stehen? Natürlich muss ich dann eine Betreuung einrichten. Den Letzten beißen da die Hunde, und das sind die Gemeinden."

Kritik von Arbeiterkammer und Gewerkschaftsjugend

AK-Chef Kaske würde lieber Einsparungen beim Landeslehrer-Controlling und "Zwergschulen" sehen. Mit den ganztägigen Schulformen werde dagegen der Rotstift "ausgerechnet beim wichtigsten und zukunftsträchtigsten Bildungsvorhaben angesetzt", so Kaske. "Die Ganztagsschulen sind wichtig, weil hier Kinder auch am Nachmittag gut betreut, gefördert und begleitet werden und damit mehr Chancen haben."

Kritik übte er an den Bundesländern: Diese würden einerseits die vom Bund bereitgestellten Mittel für den Ausbau nur zögerlich abrufen und andererseits den Stellenplan bei den Landeslehrern überziehen, um kleine Schulstandorte zu erhalten. "Zwergschulen dürfen nicht auf Kosten von Zukunftsprojekten um jeden Preis erhalten werden."

Die Gewerkschaftsjugend (ÖGJ) plädiert stattdessen für neue Steuereinnahmen: "Wir wollen eine Vermögenssteuer, weil es uns um Gerechtigkeit geht. Nicht die Schülerinnen und Schüler sollen für das Versagen der Banken zahlen, sondern die Reichen, deren Spekulationen die Bankenkrise mitverursacht haben", erklärte ÖGJ-Vorsitzender Sascha Ernszt in einer Aussendung.

Wirtschaftskammer: Rückschritt bei Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Die Bundesvorsitzende von Frau in der Wirtschaft (FiW) in der Wirtschaftskammer, Adelheid Moretti, sieht einen "echten Rückschritt bei der so wichtigen Vereinbarkeit von Beruf und Familie", wie sie am Donnerstag erklärte. "Und am Frauentag bemängeln dann dieselben Personen, dass Frauen oft Teilzeit arbeiten und seltener in Führungsjobs zu finden sind." Stattdessen sollten Doppelgleisigkeiten in der Verwaltung angepackt und die Finanzierung der Sekundarstufe II (vor allem AHS, BMHS, Berufsschule) statt über die Zahl der Schüler anhand der Zahl der Absolventen erfolgen.

Kritik auch von Gewerkschaft, SJ und AKS

Durch den mit den Ländern akkordierten Sparvorschlag (110 statt 160 Mio. Euro im Jahr 2014) würden gerade Schüler aus sozial schwächeren Familien wichtiger Betreuung und Förderung beraubt, warnt die Aktion Kritischer Schüler_innen (AKS). Der SJ-Voritzende Wolfgang Moitzi wirft der SPÖ außerdem vor, sie werfe eine ihrer wichtigsten Wahlkampfforderungen über Bord. In einer gemeinsamen Aussendung mit dem Verband Sozialistischer Student_innen (VSStÖ) forderten die Jugendvertreter die SP-Parlamentarier auf, in der gerade laufenden Nationalratssondersitzung "gegen zukunftsfeindliche Sparpläne der Regierung in diesen Bereichen zu stimmen". Eine Forderung richten sie auch an die Länder: Diese sollten die vom Bund bereitgestellten Mittel zum Ausbau ganztägiger Schulplätze zügig in Anspruch nehmen.

Auch SP-Mandatar und Gewerkschafter Rainer Wimmer kritisierte die Einsparung im Ö1-"Mittagsjournal" als den "falschen Weg". Der Ausbau der Ganztagsschulen sei eine "ganz dringende Maßnahme", an der festgehalten werden müsse. Ex-SP-Vizekanzler und Bildungsvolksbegehren-Initiator Hannes Androsch spricht von einem "Rückschritt" und kritisiert die Länder: Dass diese bisher die Mittel nicht zur Gänze abgerufen haben, ist für ihn ein Beleg dafür, "dass die Bildungskompetenzen von den Ländern einheitlich an den Bund gehen sollten und dass die Länder Geldvernichtungsmaschinen in vielerlei Hinsicht sind". (APA, 24.4.2014)