Wien - Je größer das Gehirn einer Tierart, umso höher ist seine Fähigkeit zur Selbstbeherrschung entwickelt: So lässt sich in Kurzform das Ergebnis einer Untersuchung zusammenfassen, die Wissenschafter an insgesamt knapp 600 Individuen aus 36 verschiedenen Tierarten durchgeführt haben.

Unter der Leitung von Wissenschaftern der Duke University in Durham (US-Staat North Carolina) wurden an mehr als zwei Dutzend Forschungseinrichtungen - darunter auch an der Veterinärmedizinischen Universität Wien und dem Wolfforschungszentrum (WSC) Ernstbrunn (NÖ) - die Selbstbeherrschung verschiedener Tierarten untersucht. Konkret verstehen die Wissenschafter darunter "die Fähigkeit, mächtiges, aber letztlich kontraproduktives Verhalten zu unterdrücken", wie sie in der Arbeit schreiben.

Erst denken, dann handeln

Diese Fähigkeit spielt in der Evolution der Kognition eine wichtige Rolle, "denn bei vielen kognitiven Aufgaben, wie Problemlösen, geht es darum, zuerst einmal 'nachzudenken' und erst dann zu reagieren", sagte die Kognitionsbiologin Friederike Range vom WSC und dem Messerli Forschungsinstitut an der Vetmeduni. Das sei für viele Tiere schwierig, vor allem wenn Futter vor ihrer Nase liege. Range hat gemeinsam mit ihrer Kollegin Zsofia Viranyi die Versuche an Hunden und Wölfen durchgeführt.

Und genau mit Futter haben die Wissenschafter die Selbstkontrolle der verschiedenen Tierarten getestet - und zwar artübergreifend mit einheitlichen Tests. Das Spektrum der Arten reichte dabei von Schimpansen, Gorillas, Makaken, Lemuren über Kojoten, Hunden, Wölfen, Elefanten bis zu Tauben, Eichelhähern, Finken und Sperlingen.

Bei einem Test versteckten die Forscher Futter in einer undurchsichtigen Röhre. Nach einiger Zeit lernten die Tiere, dass sie über die offenen Enden des Zylinders an das Futter herankamen. Wurde dann plötzlich eine durchsichtige Röhre verwendet, lag das Futter direkt vor ihnen. Tiere mit kleinerem Gehirn wollten deshalb auch immer wieder auf direktem Weg an das Futter herankommen - stießen dabei aber nur mit ihrer Schnauze an die Röhre. Dagegen holten sich Tiere mit mehr Selbstkontrolle das Futter weiterhin von der seitlichen Öffnung - es waren vor allem solche Arten, die ein größeres Gehirn hatten. Bei einem ähnlichen zweiten Test wurde Futter unter verschiedenen Bechern versteckt.

Absolute, nicht relative Gehirngröße ausschlaggebend

Entgegen den bisherigen Annahmen, dass vor allem die Gehirngröße relativ zur Körpergröße eine entscheidende Rolle spielt, zeigten in der nun durchgeführten Studie jene Tierarten mit den absolut größeren Gehirnen bessere Ergebnisse, wie die Forscher in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "PNAS" berichten. Dazu zählten nicht nur die großen Affenarten, sondern auch die Hunde und Wölfe. Einzige Ausnahme sind die Elefanten, die relativ schlecht abgeschnitten, allerdings auch nur einen der beiden Tests absolviert haben.

Laut Range haben die Hunde bei den Tests sehr gute Ergebnisse erzielt, sie würden praktisch kaum Fehler machen. Wölfe seien zwar signifikant schlechter als Hunde, aber mit acht richtigen Versuchen von zehn auch noch recht gut. Warum die Hunde so gut in den Tests sind, sei noch nicht klar, möglicherweise sei die Testanordnung nicht die beste, um die Selbstbeherrschung bei Hunden zu überprüfen. (APA/red, derStandard.at, 27.04.2014)