Wien - Ein Ruhmesblatt für die österreichische Justiz wird dieses Verfahren mit Sicherheit nicht mehr. Im Gegenteil, erst 13 Jahre nach der Pleite der Yline Internet Business Services AG - das Strafverfahren resultiert aus Anzeigen des Masseverwalters - begann am Montag im Wiener Straflandesgericht der Yline-Prozess. Angeklagt sind zwölf ehemalige Manager, Aufsichtsratsmitglieder und die Wirtschaftsprüferin, zentrale Figur ist Yline-Gründer und Vorstandschef Werner Böhm.

Ihnen wirft die Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption in unterschiedlicher Ausprägung Untreue, schweren Betrug, Bilanzfälschung, grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen, betrügerische Krida, und Insiderhandel vor. Gesamtschaden: 26 Millionen Euro.

"Nicht schuldig"

Staatsanwalt Alexander Marchhart, der das offensichtlich ungeliebte Verfahren von der Staatsanwaltschaft Wien "geerbt" hat, entschuldigte sich in seinem Eröffnungsplädoyer denn auch für die überlange Verfahrensdauer. Milde ließ er dennoch nicht walten. "Mehr Schein als Sein" seien Yline und die von ihr betriebenen Internetgeschäfte gewesen. Entscheidend sei aber: "schuldig oder unschuldig." Einziger Geschäftszweck waren demnach Ankauf und Verwaltung von "defacto wertlosen" Beteiligungen - und das zu überhöhten Preisen, was einigen Beschuldigten auch noch den Vorwurf der persönlichen Bereicherung einbrachte. Die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe, sie plädierten am Mittwoch alle auf "nicht schuldig". Was ihnen seitens des Anklägers umgehend den Vorwurf der "Uneinsichtigkeit" einbrachte.

Das 1998 gegründete und an der damaligen Brüsseler Wachstumsbörse Easdaq notierte Unternehmen sei gar nicht darauf ausgerichtet gewesen, reale Umsätze zu generieren, sondern in der Öffentlichkeit ein möglichst gutes Bild zu erzeugen, um Kapital einzusammeln. "Es gab keine Umsätze, es kam kein Geld herein", so Marchart. Die überhöhten Preise für Zukäufe wie Ipse, IT.D Insurance Software oder Firstinex seien als Sacheinlagen über Kapitalerhöhungen untergebracht worden. Ein Rucksack an Schulden resultierte aus PC-Aktionen mit dem Computerriesen IBM, die unter anderem über die Illustrierte News samt Internetabo verkauft wurden. 

Kartenhaus

Ende 2000 waren von den 46,3 Millionen Schilling Nettokaufpreis (zuzüglich 18,9 Mio. Schilling Zinsen) für 30.000 PCs noch immer 254,6 Mio. Schilling (18,5 Mio. Euro) aushaftend. Als das PC-Geschäft von Yline an deren Tochter Yline Web Access Services abgespalten wurde, gingen Mutter Yline auch noch regelmäßige Einnahmen (monatliche Pauschalentgelte) verlustig. Der Deal sei ein Paradebeispiel, wie Konzerne ihre marktbeherrschende Stellung ausnützten, sagte Böhms Anwalt Oliver Scherbaum.

Zahlungsunfähig war Yline laut Ankläger bereits Ende 2000, spätestens im Jänner 2001. Statt die Reißleine zu ziehen und in Konkurs zu gehen, sei der Aktienkurs gepusht und eigene Aktien gewinnbringend verkauft worden. So sei "das Kartenhaus" Yline immer höher gebaut, aber nie gegen Einsturz abgesichert worden.

Für die Verteidiger war die Verfahrensdauer ein gefundenes Fressen. "Im Lichte von Libro kann ich mir als Strafe maximal zwei Wochen Fernsehverbot vorstellen", sagte etwa Norbert Wess, Anwalt des angeklagten Steuerberaters Friedrich S. Der Ex-Libro-Chef habe für zehn Mio. Euro Schaden laut OGH nur ein Jahr bedingt bekommen dürfen, wegen der elendslangen Verfahrensdauer. (ung, DER STANDARD, 24.4.2014)