"Polawalk" verbindet Sightseeing mit Sofortbildfotografie und selbst gemachten Erinnerungsstücken

Wien - Die Standardtour beginnt am Karlsplatz. Treffpunkt für die Teilnehmer sind die Stufen der Karlskirche. Der erste Halt wird beim Otto-Wagner-Pavillon gemacht, dann geht es weiter zur Oper, zur Albertina, durch den Burggarten an der Hofburg vorbei in Richtung Börse. Anders als bei einer klassischen Sightseeing-Tour erfahren die Teilnehmer hier aber wenig über die Hintergründe der Sehenswürdigkeiten. Stattdessen wird ihnen eine originale Polaroidkamera überreicht und erklärt, wie Sofortbildfotografie funktioniert.

Das Konzept heißt "Polawalk" und wurde von Gilbert Lechner und Thomas Preyer im Frühjahr 2013 ins Leben gerufen. Ihre Begeisterung für Sofortbildfotografie verbinden sie mit der Idee, Touristen und Einheimischen eine Aktivität anzubieten, bei der sie nicht nur Wien von einer neuen Seite kennenlernen, sondern auch gleich eine handfeste Erinnerung mitnehmen können, nämlich acht selbst geschossene Sofortbilder.


Foto: Christa Minkin

Angeboten werden derzeit die Standard- sowie die Urban-Tour. Die eine deckt die wichtigsten Sehenswürdigkeiten ab, die andere bewegt sich rund um die Innenstadt, im Museumsquartier, am Karmelitermarkt und am Donaukanal. Dass diese Punkte für Einheimische wenig Neues bieten, findet Lechner nicht: "Du kennst es, aber du hast noch nie ein Foto davon gemacht."

Die Kameras werden für die zwei- bis dreistündige Tour von "Polawalk" zur Verfügung gestellt. Die Kosten betragen je nach Art der Tour 49 oder 59 Euro. Ein Film für acht Fotos ist im Preis inkludiert. Der stammt aber nicht von Polaroid, sondern von "The Impossible Project", einem Unternehmen, das sich der Rettung der Sofortbildfotografie verschrieben hat. Im Jahr 2008, als Polaroid die Einstellung der Filmproduktion verkündete, wurde die letzte Fabrik in den Niederlanden aufgekauft und das Filmmaterial neu entwickelt. Schätzungen zufolge gibt es etwa 300 Millionen Polaroidkameras auf der Welt. Die wären ohne die passenden Filme wertlos gewesen, sagt Gilbert.

Beim Otto-Wagner-Pavillon erklärt Lechner den Tour-Teilnehmerinnen Alex und Teresa, worauf sie bei ihrem ersten Sofortbild achten sollten: Wie fällt die Sonne, wo ist der Schatten, wie sollte der Bildausschnitt gewählt werden. Eine längere Einführung in die Polaroid-Fotografie gab es schon auf den Stufen der Karlskirche. Dort durften alle mit "Dummys" experimentieren, bevor sie den echten Film einlegen. Gilbert zeigte auch Beispielfotos und erklärte, warum bestimmte Fehler und Effekte entstehen können.

Foto: Christa Minkin

Altbekanntes erscheint in einer neuen Perspektive, wenn man nach passenden Motiven für einen Polaroid-Schnappschuss sucht. Historische Informationen zu den Sehenswürdigkeiten bekommen Teilnehmer der Fototour kaum. Das dürfe er gar nicht, meint Lechner. Er sei kein staatlich geprüfter Fremdenführer. Stattdessen steckt er die frischgebackenen Polaroid-Fotografen mit seiner Begeisterung an und weist auf schöne Blickwinkel oder Details hin, die ein Foto wert wären. Dass insgesamt nur acht Bilder geschossen werden können, macht die Sache spannend.

Foto: Christa Minkin

Konzipiert ist die Tour als gemütlicher Spaziergang und gemeinschaftliche Erkundungsreise. Wer ein schönes Motiv entdeckt, darf stehen bleiben und sich die Zeit für ein Foto nehmen. Die anderen warten. Der rosa Dürer-Hase am Dach der Albertina bot sich für einen Schnappschuss an. Beim Würstelstand nebenan entdeckte die Gruppe ein buntes Riesenkaninchen.

Foto: Christa Minkin

Lechner behält seine Gruppe immer im Auge und ist sofort zur Stelle, um den Hobbyfotografen zu ihren Wunschbildern zu verhelfen. "Soll ich die Leute vertreiben?", fragt er nicht nur einmal, wenn sich Passanten im gewünschten Ausschnitt befinden. Einmal bittet er einen jungen Mann zu posieren, weil Teresa gerne eine Person im Bild hätte. Seine Mühen zahlen sich aus. Die Fotos gelingen.

Foto: Christa Minkin

Etwa eine Stunde nach Tourbeginn gehen Teresa und Alex schon mutiger mit ihren Kameras um. Teresa macht auch herkömmliche Fotos mit ihrer Digitalkamera. Sie ist Spanierin und auf Besuch in Österreich. Alex ist aus Salzburg, lebt aber seit einigen Jahren in Wien. Teresa erzählt, sie habe "fun stuff to do in Vienna" gegoogelt und sei so auf "Polawalk" gestoßen.

Foto: Christa Minkin

Wer mehr als acht Fotos schießen möchte, kann während der Tour einen weiteren Film kaufen. Kostenpunkt: 20 Euro. (Die Touren können auch ganz ohne Polaroidkamera und Film gebucht werden. Dann kosten sie 19 Euro.) Die Idee begann mit Workshops zum Thema Polaroid-Fotografie. Die endeten mit Spaziergängen, bei denen die Leute das Gelernte gleich ausprobieren konnten. Lechner und Preyer merkten, dass dieser Teil am besten ankam, und riefen deshalb "Polawalk" ins Leben. Die Touren seien nicht nur eine Möglichkeit, etwas zu erleben, sondern auch, etwas herzuzeigen, meint Lechner. Es gebe eine "Sehnsucht nach Greifbarem".

Foto: Christa Minkin

Die Entdeckungstour führt durch einen Ostermarkt, wo eine Verkäuferin eine kreative Art für die Wiederverwendung von Zeitungspapier demonstriert. Die selbstgebastelten Sackerln befüllt sie für ihre Kunden mit gebrannten Mandeln und anderen Nüssen.

Foto: Christa Minkin

Etwa ein Viertel der Standardtour-Teilnehmer seien aus Wien und selbst die seien über die Routen überrascht, sagt Lechner. Reaktionen wie "An dieser Stelle bin ich noch nie gewesen" oder "Hier bin ich noch nie entlanggegangen" höre er immer wieder.

Foto: Christa Minkin

Gegen Ende der Tour findet sich auf der Ringstraße noch ein schönes Motiv. Polaroids seien einzigartige Erinnerungsstücke, weil jedes Foto anders aussehe, meint Lechner. Der Umgang mit der Kamera funktioniere "sehr intuitiv".

Foto: Christa Minkin

Die Fototour endet im Büro von "Polawalk", wo die Einrichtung thematisch angepasst ist - sogar auf der Toilette.

Foto: Christa Minkin

Bei Kaffee, Tee und Keksen breiten alle Teilnehmer ihre Fotos aus. Teresa und Alex sehen ihre zum ersten Mal. Sie hatten während der Tour beschlossen, noch keinen Blick darauf zu werfen und sich zum Schluss überraschen zu lassen. Sie begutachten nun stolz ihre Schnappschüsse. (Christa Minkin, derStandard.at, 24.4.2014)

Foto: Christa Minkin