Kathmandu - Mit ihrem Entschluss, nach dem Lawinen-Tod von 16 Kameraden alle Expeditionen zum Mount Everest zu stoppen, haben Nepals Bergführer heftigen Unmut und Chaos ausgelöst. Hunderte Bergsteiger aus aller Welt wollten in diesem Jahr den höchsten Berg der Welt erklimmen, viele von ihnen warteten bereits im Basislager auf den Saisonbeginn. Möglicherweise müssen sie nun wieder einpacken.

"Wir haben nach einer langen Sitzung an diesem Nachmittag beschlossen, zu Ehren unserer gestorbenen Brüder unsere Bergtouren einzustellen", sagte der Bergführer Tulsi Gurung am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP. "Alle Sherpas stehen hinter dieser Entscheidung", fügte er hinzu. Nach seinen Angaben haben einige von ihnen das Basislager bereits verlassen.

Hilfsfonds eingerichtet

Beim bisher schlimmsten Unglück am Mount Everest waren am Freitag insgesamt 16 nepalesische Bergführer ums Leben gekommen. Als Konsequenz aus dem Drama hatten die Bergführer bereits mit Streik gedroht, sollte die nepalesische Regierung ihre Unfall- und Lebensversicherungen nicht erhöhen und keinen Hilfsfonds einrichten. Diesen Forderungen kam die Politik des Landes am Dienstag mit der Einrichtung eines Hilfsfonds für Bergsteiger nach. Mit dem Geld solle Verletzten und Familien von Verstorbenen geholfen werden, erklärten die Behörden.

Künftig sind nepalesische Bergsteiger mit mehr als 11.000 Euro versichert, dreimal so viel wie zuvor. Außerdem wird ihre medizinische Behandlung mit bis zu 3.000 Euro gezahlt. Dazu werde ein Teil des Geldes verwendet, das ausländische Bergsteiger an Gebühren zahlen müssen, sagte Madhusudan Burlakot vom Tourismusministerium. Für einen Aufstieg auf den Mount Everest zahlen Bergsteiger derzeit umgerechnet 18.000 Euro. Die Sherpas waren erzürnt darüber, dass die Regierung zunächst nur rund 300 Euro Entschädigung zahlen wollte. Nun soll ihnen auch ein Denkmal gebaut werden.

An der Entscheidung der Sherpas für heuer dürfte dies jedoch nichts mehr ändern. "16 Menschen starben auf diesem Berg, gleich am ersten Tag unseres Anstiegs. Wie können wir da jetzt noch 'rauf?", fragte Gurungs Kollege Pasang Sherpa.

Nicht nur Frage der Entschädigung

"Sie haben entschieden, dass es nicht nur um die Entschädigung geht. Sie haben vielmehr das Gefühl, dass sie als eine Art Denkmal für alle, die umkamen, den Mount Everest für dieses Jahr stilllegen sollten", sagte Ed Marzec, einer der enttäuschten Kunden. Der 67-jährige Anwalt im Ruhestand wollte ursprünglich als ältester US-Bürger den höchsten Berg erklimmen. Seinen Plan ließ er jedoch bereits am Montag fallen, da eines der Opfer aus seinem Team war.

Nicht alle Bergsteiger im Basislager haben jedoch Verständnis für die Entscheidung ihrer Bergführer. Sie haben Zehntausende Euro gezahlt, haben lange geplant, für viele war es die erste und letzte Gelegenheit, den gefährlichen Aufstieg zum 8.848 Meter hohen "Dach der Welt" zu wagen. Entsprechend mies war am Dienstag die Stimmung in dem Camp, wie Marzec berichtete. Einige Bergsteiger versuchten sogar, Druck auf ihre Sherpas auszuüben, damit sie ihnen doch noch bei ihrem Bergabenteuer beistehen.

Beratung über mögliche Lösungen

Zur gleichen Zeit reisten die Betreiber zweier führender Bergtouren-Unternehmen, Russell Brice und Alan Crampton, nach Kathmandu, um mit Vertretern des nepalesischen Tourismusministeriums über mögliche Lösungen zu beraten. Die Streichung aller Expeditionen hätte verheerende Auswirkungen auf Nepals Wirtschaft - die arme Himalajaregion ist stark auf die Einnahmen aus dem Tourismus angewiesen. Die Regierung hat für dieses Jahr Lizenzen für 32 Expeditionen mit insgesamt 734 Teilnehmern erteilt, darunter 400 Bergführern.

Diese verdienen pro Saison zwischen knapp 2.200 und 4.400 Euro. Stößt ihnen aber etwas zu, zahlen ihre Versicherungen in den allermeisten Fällen nur wenig. Seit der Erstbesteigung durch den Neuseeländer Edmund Hillary und seinen einheimischen Bergführer Tenzing Norgay im Jahr 1953 kamen bereits mehr als 300 Menschen am Mount Everest ums Leben, die meisten von ihnen waren Sherpas. (APA, 22.4.2014)