Lino Ventura (li.) und Jean-Paul Belmondo

Foto: BFI
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Mitten auf einer belebten Straße begehen zwei Männer einen Überfall. Sie flüchten mit ihrer Beute zu Fuß, dann geht es weiter in einem zuvor bereitgestellten Auto. Sie rasen aus der Stadt, irgendwann trennen sie sich, um ihre Verfolger zu zerstreuen. Eine ganze Serie von unterschiedlichen Transportmitteln kommt zum Einsatz. Auch so kann man die Geschichte einer Fluchtbewegung erzählen.

Classe tous risques – im deutschsprachigen Raum als Der Panther wird gehetzt verliehen – ist 1960 die zweite Regiearbeit von Claude Sautet (1924–2000). Mit dem Namen dieses französischen Regisseurs verbindet man üblicherweise seine späteren Gesellschafts- und Beziehungsstudien, (Ensemble-)Filme wie Die Dinge des Lebens (Les choses de la vie), César und Rosalie oder Eine einfache Geschichte (Une histoire simple). Classe tous risques, ein Genrefilm mit klassischem Handlungsbogen, der aber durch ungewöhnliche Details und Inszenierungsideen besticht, steht für einen anderen Werkabschnitt, und er markiert im französischen Nachkriegskino auch einen interessanten Kreuzungspunkt:

Lino Ventura spielt Abel Davos, einen in Abwesenheit zu Tode verurteilten Pariser Gangster, der sich mit seinen beiden kleinen Söhnen verstecken muss und auf die Hilfe seiner alten Partner wartet. In einem gewissen Eric Stark findet Abel unerwartet einen loyalen Verbündeten.

Stark wird von Jean-Paul Belmondo verkörpert. Ventura, ein Ex-Ringer und Schauspielautodidakt, etabliert sich gerade als Charakterdarsteller neben Stars wie Jean Gabin. Er wird den Typus des wortkargen Helden noch öfter spielen - und wiederholt nach einer Vorlage von José Giovanni, der für Classe tous risque ebenso wie für Jean-Pierre Melvilles Der zweite Atem (Le deuxième souffle) als Autor zeichnet. Der Newcomer Belmondo hingegen ist 1960 auch noch in einem anderen Gangsterfilm zu sehen, der sich um einiges nachhaltiger im öffentlichen Bewusstsein verankern wird und das Erzählkino noch einmal in eine neue Richtung weitet: Die Rede ist von Jean-Luc Godards Spielfilm-Debüt Außer Atem (À bout de souffle).

Classe tous risques ruft das British Film Institute (BFI) nun im Rahmen seiner Dual Format Edition (als DVD und Blu-ray) in Erinnerung. Inkludiert hat man den französischen und den US-Kinotrailer – der Vergleich lohnt sich! – sowie das Porträt Monsieur Ventura, das leider recht konventionell talking heads aneinander reiht, Alpenländler aber immerhin mit einem Charles Aznavour im Trachtensakko überrascht. (irr, derstandard.at, 21.4.2014)