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Max Schrems über das Aus des Amtsgeheimnisses: "Österreich ist die kleine Insel, auf der man sich bisher sehr effektiv dagegen gewehrt hat."

Foto: dpa/Lilli Strauss

"Österreich ist betreffend Amtsgeheimnis sehr rückständig", sagt Facebook-Kläger Max Schrems. Warum er die Initiative Transparenzgesetz.at unterstützt, die sich für die Abschaffung des Amtsgeheimnisses einsetzt, was es Neues von der "Facebook-Front" gibt und warum er einen europaweit agierenden Verein für Datenschutz nach Vorbild des Vereins für Konsumentenschutz gründen will, sagt er im Gespräch mit derStandard.at.

derStandard.at: Sie unterstützen neuerdings die Initiative Transparenzgesetz.at, die sich für die Abschaffung des Amtsgeheimnises engagiert. Warum?

Schrems: Österreich ist betreffend Amtsgeheimnis sehr rückständig. Zu erfahren, weshalb bestimmte Entscheidungen vom Staat getroffen wurden, ist ein Recht, das sich im Westen Europas relativ gut durchgesetzt hat. Nur Österreich ist die kleine Insel, auf der man sich bisher sehr effektiv dagegen gewehrt hat.

derStandard.at: Sie haben bei Ihren Klagen gegen Facebook mit Ländern zu tun gehabt, in denen das Amtsgeheimnis nicht existiert. Ihre Erfahrungen?

Schrems: Wir haben in Deutschland und in Irland gesehen, zu welchen Informationen man Zugang bekommen kann, wenn es ein Informationsfreiheitsgesetz gibt. Wir haben zum Beispiel Ministerien darum gebeten, uns alle Lobbypapiere zu schicken. So konnten wir sehr gut sehen, wer etwa bei der Datenschutzreform welche Interessen vertreten hat. In Österreich muss man irgendjemanden kennen, der die Information unter der Hand weitergibt. Nach dem Motto: "Hier ist es, aber von mir hast du es nicht." Es ist einfach lächerlich, wie das bei uns abläuft. In unserer Informationsgesellschaft ist Information Macht. Wenn wir zusehen, dass der Staat und Unternehmen nicht zu viel über uns wissen, wir aber umgekehrt Informationen bekommen, kann man das Machtgleichgewicht in Balance halten.

derStandard.at: Können Sie einen Fall schildern, wo Sie von einer österreichischen Behörde Auskunft wollten, Ihnen diese jedoch verweigert wurde?

Schrems: Ich habe nie große Anfragen gestellt, weil es ohnehin sinnlos ist. Man hat ja derzeit kein Recht auf Informationen. Bei den Datenschutzverhandlungen auf EU-Ebene gibt es zum Beispiel vom Rat Papiere, die viele Stellen bekommen, allerdings die Bürger nicht. Man wird von Amt zu Amt und von Stelle zu Stelle verwiesen, wenn man danach fragt. Wobei: Es geht um Papiere, die vollkommen banal und nicht sonderlich geheim sind. Es geht etwa um die Frage, was Österreich in Brüssel verhandelt hat. Aber ich als Bürger darf das nicht sehen.

derStandard.at: Nehmen wir an, Sie hätten einen Auskunftswunsch bei einer österreichischen Behörde frei, was würden Sie gerne wissen?

Schrems: Die Causa Hypo ist natürlich ein heißes Eisen. Es wäre wirklich spannend zu wissen, was dazu in diversen Gutachten und Papieren steht. Es geht mir aber gar nicht so sehr um das eine große Ding, das ich erfahren möchte. Sondern um ein Grundverständnis von Transparenz in der öffentlichen Verwaltung und das Recht darauf, zu erfahren, was mit meinem Steuergeld und mit meiner Stimme passiert.

derStandard.at: Wäre es sinnvoll, sämtliche Dokumente, von denen klar ist, dass man sie veröffentlichen kann, automatisch in einer zentralen Datenbank zu publizieren?

Schrems: Ja, in vielen Fällen wird das auch jetzt schon so gehandhabt. Wichtig wäre allerdings, dass alle Dokumente maschinenlesbar und durchsuchbar sind. Diese Maschinenlesbarkeit fehlt in der Regierungsvorlage. Außerdem sollten auch Rohinformationen publiziert werden. So könnte man zum Beispiel bei Statistiken nicht nur die Endauswertung, sondern auch die Rohdaten einsehen. In diesem Land liegen viele wertvolle Informationen in Archiven herum. Das ist schade und obendrein eine Geldverschwendung.

derStandard.at: Im Gesetzesvorschlag der Bundesregierung zur Abschaffung der Amtsverschwiegenheit gibt es viele Möglichkeiten, die Auskunftspflicht zu umgehen, fallweise könnten auch die Bundesländer eigene Ausnahmen definieren.

Schrems: Ländermäßig Ausnahmen zu ermöglichen ist jenseitig und für die Bürger nicht zumutbar. Die im Rahmen einer Verfassungsänderung vorgeschlagenen Ausnahmen würden es zulassen, am Ende ein Informationsfreiheitsgesetz zu machen, das es ermöglicht, weiterhin das Amtsgeheimnis aufrechtzuerhalten. Das große Problem ist, dass die Verfassungsänderung plus Durchführungsgesetz nicht als Paket vorgeschlagen wurde. Wie die Verfassungsänderung im Detail per Gesetz geregelt werden würde, weiß heute niemand.

derStandard.at: Bürger könnten sich nach dem aktuellen Entwurf mit Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof und in der Folge an den Verfassungsgerichtshof wenden. Ist das sinnvoll?

Schrems: Das lehne ich ab. Wenn die Behörde nicht Auskunft geben will und der Rechtszug für den Durchschnittsbürger zu schwierig, teuer und kompliziert ist, dann ist natürlich das Interesse der Behörde, sich an Gesetze zu halten und die Daten herauszugeben, überschaubar. Wenn ich mit einem hohen Kostenrisiko jahrelang vor Gerichten mit der Behörde um ein paar Infos streiten muss, wird das in der Realität fast keiner machen.

derStandard.at: Was schlagen Sie vor?

Schrems: Auch in anderen Ländern gibt es Informationsbeauftragte, die für Bürgeranliegen betreffend Informationsfreiheit zuständig sind. Neben der rechtlichen Bewertung im Einzelfall, etwa bei der Frage, ob abgewiesene Auskunftsbegehren legitim sind, könnte diese Stelle kontrollieren, ob beispielsweise Aktenschwärzungen gerechtfertigt sind. Gerichte müssen sich hingegen mit sämtlichen Rechtsbereichen beschäftigen und können sich mit der Materie nicht so detailliert auseinandersetzen.

In den meisten Ländern werden Bürgerbeschwerden betreffend Informationsfreiheit von einer gemeinsamen Informations- und Datenschutzbehörde abgewickelt. Die Datenschutzbehörde haben wir schon. Es gibt keinen Grund, in Österreich von einem international bewährten Modell abzuweichen, außer: Man will es den Bürgern möglichst schwer machen.

derStandard.at: Was gibt es Neues von der Facebook-Front?

Schrems: Am 29. April haben wir die Verhandlung gegen die irische Datenschutzbehörde wegen des Prism-Falls. Die irische Behörde hat gesagt, dass sie in der Zusammenarbeit von Facebook mit der NSA keinen Grund sieht, sich das anzusehen. Und dass unsere Beschwerde "frivol" und deshalb nicht zu bearbeiten sei. Wir wollen erwirken, dass die Behörde dazu verurteilt wird, sich Prism zumindest einmal anzuschauen. Das schaut an sich recht gut aus.

derStandard.at: Haben Sie vor, Ihre Aktivitäten, die Sie auf internationaler Eben in Bezug auf Facebook setzen, auch auf andere Sphären auszuweiten?

Schrems: Es gibt sehr konkrete Überlegungen, ein Verein für  Datenschutz zu gründen nach dem Vorbild des Vereins für Konsumentenschutz. Dieser Verein würde sukzessive schauen, was Google oder etwa die Top 100 iPhone-Apps mit den Nutzerdaten machen. Der Verein würde auch Datenforensik betreiben und bei Verstößen aktiv werden. Die Institution sollte europaweit aktiv werden, bis Ende des Jahres würden wir das gerne zu Wege bringen.

derStandard.at: Mit Zentrale in Wien?

Schrems: Das wäre ideal. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 18.4.2014)