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Cohn-Bendit, nach 20 Jahren in Straßburg in Pension.

Foto: Reuters/Kessler

Die letzte Plenarsitzung einer zu Ende gehenden Legislaturperiode ist neben dem Abstimmungsstress zu Last-Minute-Gesetzen immer ein wenig von Wehmut der Abgeordneten getragen. So ist das auch im Europäischen Parlament, das am Donnerstag in Straßburg seine Pforten schließt - bis zur konstituierenden Sitzung Anfang Juli und nach den Europawahlen vom 22. bis 25. Mai.

Gut ein Drittel der derzeit 766 Abgeordneten dürften im neuen Parlament nicht mehr vertreten sein; manche nehmen es mit Humor, wie Ex-Parlamentspräsident Jerzy Buzek: "Ich hoffe, dass ich wiederkomme, aber man weiß ja nie bei freien Wahlen", witzelte der frühere Solidarnosc-Aktivist, 1981 einer der führenden Köpfe der Befreiungsbewegung in Polen. Andere, wie ÖVP-Mandatar Hubert Pirker, nutzen die Gelegenheit für ein Abschiedsfoto vor dem Sitzungssaal - er hatte seit 1995 gleich dreimal ein EU-Mandat.

Einer der prominentesten "Abgänger", der deutsch-französische grüne Fraktionschef Daniel Cohn-Bendit, nutzte die letzte große Plenardebatte zu den Themen "Hundert Jahre Erster Weltkrieg" und Lage in der Ukraine zu einer Art Vermächtnisrede.

Der "rote Dany", einer der besten Plenarredner, aus Frankreich ausgewiesener 68er-Revolutionär und Sohn jüdischer Eltern, die 1933 vor den Nazis fliehen mussten, gehörte seit 1994 dem EU-Parlament an. Nun erinnerte er in persönlichen Worten daran, "warum es die Union nicht schon vor 1914 oder vor 1945 gegeben hat: weil es Nationalstaaten gab, die Europa vereinen wollten, aber unter ihrer Hegemonie". Mangel an Respekt vor der Position der anderen habe zu Krieg geführt. Pluralismus der Meinungen, das Eintreten für Andersdenkende sei der Kern der EU. Für den Frieden und die Freiheit müsse man kämpfen, sagte Cohn-Bendit, es gebe keine alleinige Wahrheit. Das gelte bis heute, wenn man an die Krise in der Ukraine denke.

Die Abgeordneten dankten es ihm mit langem Applaus. Viele flochten diesen Gedanken vom Respekt für die anderen in ihren Reden ein, auch aus den Reihen der britischen EU-Skeptiker. Ab sofort folgt nun Wahlkampf pur. (Thomas Mayer aus Straßburg, DER STANDARD, 17.4.2014)