Die Tricks, mit denen sich Starbucks Jahr für Jahr Steuern in Millionenhöhe erspart, sind nicht deshalb so interessant, weil die Kaffeehauskette verwerflicher als andere agieren würde. Großkonzerne der IT-Branche wie Google und Pharmafirmen sind oft sogar kreativer bei der Abgabenvermeidung. Doch Starbucks ist ein Paradebeispiel dafür, wie absurd viele der Regeln für Konzerne in Europa sind. Und der Fall zeigt, welch perverse Auswüchse der Steuerwettbewerb in der EU hervorruft.

Um das Argument zu verstehen, muss man sich die Konzernpraxis in Großbritannien ansehen. Wie eine Parlamentsanhörung in London zutage förderte, hat der Kaffeebrüher in 15 Jahren auf der Insel mit einer Ausnahme nicht einen Cent an Gewinnsteuern gezahlt.

Das lag nicht am Geschäft. Starbucks hat gut verdient. Was den Gewinn schmälerte, war, dass die britischen Filialen an die Europazentrale in den Niederlanden ständig sechs Prozent ihrer Einnahmen in Form einer Lizenzgebühr für geistiges Eigentum überwiesen. Welche technologische Errungenschaft des Kaffeebrühens diese Gebühr rechtfertigt? Keine. Die Niederländer haben Starbucks im Austausch für die Ansiedlung der Europazentrale eine Steuerbefreiung geschenkt. Jeder Cent, der von London nach Amsterdam wandert, steigert also den Nettogewinn.

Die öffentliche Empörung über diese Praxis riss nach der im TV übertragenen Parlamentsbefragung nicht ab und ist nun einer der Gründe dafür, dass die Zentrale von Amsterdam nach London verlegt wird (so viel zur Diskussion über den Vorteil von U-Ausschüssen im TV).

Doch das Grundproblem Europas ist damit nicht gelöst: Steuerschlupflöcher in Irland (Google) und Luxemburg (Amazon) bleiben unangetastet. Es gibt zwar Bemühungen, die Regeln für Gewinnverschieberei zu verschärfen, doch solange die Länder in einem aggressiven Steuerwettbewerb stehen, muss jeder Lösungsansatz Flickwerk bleiben. Nötig ist eine EU-weite Harmonisierung der Regeln.

Damit das vernünftig geschieht und nicht in eine Lockerung der Standards mündet, braucht es den Druck der Wähler. Was kann man tun? Ein guter Anfang wäre es, die Spitzenkandidaten im EU-Wahlkampf über ihre Rezepte gegen legale Steuervermeidung zu löchern. Mit Wahlkampfplakaten voller Plattitüden à la "Europa im Kopf - Österreich im Herzen" und "Meine Tomate darf nicht illegal werden" lassen sich die Schlupflöcher nicht überkleben. (András Szigetvari, DER STANDARD, 17.4.2014)