Wien - Meistens passiert gar nichts. Die winzigen Untermieter liegen fest eingebunden in den Chromosomen und ruhen. Der Wirt, so scheint es, hat alles unter Kontrolle. Doch die Lage kann sich schnell ändern. Dann kommt Bewegung in die besiedelten Regionen des Genoms, und es ist Zeit für die Reproduktion. Die Kolonisten lassen sich vermehren. Transposons in Aktion.

Es sind kleine, mehr oder weniger selbstständige DNA-Abschnitte, die in praktisch allen Lebewesen auftreten. Für ihre Verbreitung verlassen sich Transposons weitgehend auf die Enzyme ihrer Wirtszelle - darin sind sie den Viren sehr ähnlich. Im Gegensatz zu Letzteren verlassen sie ihre Zelle normalerweise nicht und können somit auch keine Infektionen auslösen. Stattdessen versuchen die Transposons, sich an neuen Positionen in den Chromosomen einzunisten. Sie werden deshalb auch "springende Gene" genannt.

Welch ausgeklügelte Methoden Transposons entwickelt haben, um ihre Wirte auszutricksen, zeigt eine aktuelle Studie aus dem Gregor-Mendel-Institut für Molekulare Pflanzenbiologe in Wien. Dort hat der Doktorand Vanja Cavrak, tätig in der Arbeitsgruppe von Ortrun Mittelsten Scheid, zusammen mit einigen Kolleginnen die Aktivierung von "Onsen" untersucht. Dieses im Erbgut der Modellpflanze Ackerschmalwand vorkommende Transposon wird immer dann vermehrt, wenn das Gewächs unter Hitzestress steht.

Mithilfe einer ausgeklügelten Versuchsreihe konnte das Wiener Forscherteam nun den Aktivierungsmechanismus von Onsen aufdecken, wie es kürzlich im Fachblatt PloS Genetics berichtete. Dem Transposon ist es offenbar gelungen, einen wirtseigenen DNA-Schalter zur Steuerung der Produktion von sogenannten Hitzeschock-Proteinen zu übernehmen. Letztere kommen immer dann zum Einsatz, wenn es der Pflanze zu heiß wird. Die Ackerschmalwand ist eine Bewohnerin gemäßigter Klimazonen. Bei hohen Temperaturen muss ihr Stoffwechselapparat vor Schäden geschützt werden.

"Wolf im Schafspelz"

Dieser Prozess wird unter anderem durch die Bildung eines Proteins namens HSFA-2 gesteuert. Dessen Erkennungssequenz trägt auch Onsen. Die Folge: Sobald die Pflanze die Produktion ihres Hitzeschutzes startet, wird auch die Vermehrung des Transposons eingeleitet. Die dazu operierenden Enzyme können nicht zwischen den Aktivierungsschaltern von Hitzeschock-Proteinen und Onsen unterscheiden, und alle werden eingeschaltet. Onsen ist praktisch ein "Wolf im Schafspelz", meinen die Forscher.

Die Replikation erfolgt aber nicht überall gleichmäßig. Das Transposon lässt sich meist in Geweben vermehren, dessen Zellen sich häufig teilen. Und das macht Sinn. Schließlich gehen aus solchen Bereichen irgendwann die Blüten hervor. So hat Onsen die besten Chancen, in größerer Zahl auf die nächste Generation übertragen zu werden. (deswa, DER STANDARD, 16.4.2014)