Demo nach dem Tod des nigerianischen Asylwerbers Marcus Omofuma während seiner Abschiebung: Der Fall erschütterte das Vertrauen vieler Schwarzer in die Behörden zusätzlich.

Foto: Heribert Corn

Graz - Aussagen wie die "unbedachte" Formulierung "Negerkonglomerat" des nunmehrigen Expolitikers Andreas Mölzer machen es deutlich: Menschen mit dunkler Hautfarbe sind von rassistischer Diskriminierung ganz besonders betroffen. "Die Wurzeln dafür reichen in die Zeit der Sklaverei und des Kolonialismus zurück", erläutert Klaus Starl vom Europäischen Trainings- und Forschungszentrum für Menschenrechte und Demokratie (ETC) in Graz. Auch der Nazi-Rassismus wirkt nach. "In einer abgeänderten Form zeigen sich solche Abwertungsrhetoriken auch in gängigen Vorurteilen, die etwa Afrikaner mit Drogendealern gleichsetzen", sagt Starl.

Wie wirken sich solche (unterschwelligen) Haltungen auf das Leben afrikanischstämmiger Menschen in Österreich aus? Um das herauszufinden und daraus das Ausmaß rassistischer Diskriminierung abzuleiten, haben die ETC-Forscher eine umfangreiche Untersuchung in Graz, Linz, Salzburg und Innsbruck durchgeführt. Die nun vorliegenden Ergebnisse der unter anderem vom Zukunftsfonds Österreich geförderten Studie sind alarmierend. So glauben etwa 70 Prozent der Befragten nicht an die Gleichheit von Schwarzen und Weißen im österreichischen Rechtssystem. Nur jene, die noch nie mit österreichischen Behörden und Gerichten zu tun hatten, sind häufiger von einer Gleichbehandlung überzeugt.

Ein Drittel der 717 Befragten gab an, von Behördenvertretern respektlos behandelt worden zu sein. Ein Viertel gibt mangelndes Vertrauen als Grund dafür an, sich über respektloses Verhalten nicht beschwert zu haben. "Von den österreichischen Justiz- und Verwaltungsinstitutionen wird in hohem Ausmaß hinsichtlich der Anzahl der Betroffenen und mit großer Häufigkeit in Hinblick auf die Erfahrung einzelner Personen das Verbot rassistischer Diskriminierung verletzt", so das Fazit der Wissenschafter.

Die von 13 sozialwissenschaftlich geschulten Angehörigen der Zielgruppe durchgeführten Interviews stützten sich auf Fragebögen in deutscher, englischer und französischer Sprache. Die Ergebnisse wurden auf der Basis des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung rassistischer Diskriminierung (ICERD) bewertet, das auch eine rechtlich verbindliche Definition rassistischer Diskriminierung vorgibt (siehe Wissen).

Im Vergleich mit Ämtern und Behörden fühlen sich die Befragten in der Gesundheitsversorgung deutlich weniger diskriminiert. Im Vordergrund steht hier die problematische Verständigung mit dem Personal, die von einem Viertel der Interviewten angeführt wird. Respektlos behandelt oder nicht ernst genommen fühlen sich "nur" 16 bzw. 15 Prozent.

Rassismus unter Kollegen

Abgesehen von den Arbeitsbeschränkungen für alle EU-Drittstaatsangehörigen, dürfen Menschen dunkler Hautfarbe - auch wenn sie eine Arbeitserlaubnis haben - nicht mit Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt rechnen. "Indikatoren dafür sind eine mit 20 Prozent sehr hohe Arbeitslosigkeit, die Irrelevanz ausländischer Bildungsabschlüsse, die hohe Unzufriedenheit mit den Arbeitsmöglichkeiten und eine sehr geringe Verbesserungsrate", berichtet Projektmitarbeiterin Simone Philipp. "Das wohl größte Problem sind aber die unmittelbaren Diskriminierungen."

So gaben 40 Prozent der Befragten an, dass sie an ihrem Arbeitsplatz rassistischer Belästigung ausgesetzt seien - großteils durch Kollegen. Beinahe jeder Fünfte wurde am Arbeitsplatz Opfer eines rassistischen Übergriffs, wobei dunkelhäutige Männer und Menschen mit Behinderungen häufiger betroffen waren.

Auch im öffentlichen Raum müssen die Befragten permanent mit Diskriminierung rechnen: Rund die Hälfte wurde in den letzten zwölf Monaten zumindest einmal im Bus, in der Bahn oder auf der Straße rassistisch belästigt. 13 Prozent gaben sogar rassistische Übergriffe an. Das durch Medien und öffentliche Personen vermittelte Bild von Schwarzen empfinden mehr als 60 Prozent der Interviewten als abwertend.

Aus den ernüchternden Fakten leiten die Forscher auch eine Reihe konkreter Empfehlungen für die Politik ab. Grundsätzlich müsse geltendes Recht ganz einfach "stärker beachtet und durchgesetzt" werden. Für Justiz und Behörden empfehlen die Forscher unter anderem "angemessene Monitoringmaßnahmen".

Auch die Einrichtung wirksamer und leicht zugänglicher Beschwerdemechanismen oder der Ausbau von Begleit- und Dolmetschdiensten im Gesundheitswesen wird nahegelegt. Überdies sollten Polizei und Ordnungsdienste in der Intervention gegen rassistische Übergriffe geschult bzw. zur tatsächlichen Intervention verpflichtet werden. Die Polizei müsse über Indizien eines "Ethnic Profiling" aufklären und dieses unterbinden. Ob und inwieweit diese Empfehlungen für einen angemessenen Umgang mit Rassismus umgesetzt werden, sollte man genau beobachten - denn auf einen politischen Selbstheilungsprozess kann erfahrungsgemäß nicht gehofft werden. (Doris Griesser, DER STANDARD, 16.4.2014)