Foto: ROFLpillar

Foto: Nidhogg
Foto: FJORDS
Foto: Perfect Woman
Foto: Gang Beasts

"'Indie' ist eigentlich eine Abgrenzung vom Mainstream", sagt Thorsten Wiedemann. Er ist der Gründer und Creative Director des größten Indie-Treffens in Europa. Vergangene Woche ging die dritte Auflage des A MAZE Festivals in Berlin über die Bühne. "Klar wird der Begriff auch schon mal aus Marketingzwecken missbraucht. Ich versuche deshalb, den Begriff Indie so weit wie möglich zu vermeiden - was ein Grund zur Namensänderung von 'A MAZE. Indie Connect' zu 'A MAZE. / Berlin' war. Somit ist A MAZE 'off the hype' und kann sich dem Wesentlichen widmen: Spiele auszuzeichnen, die in keine Schublade passen."

Dass die größte Independent-Veranstaltung in Europa das Wort "Indie" aus dem Namen streicht, belegt, dass die Schubladen tatsächlich zu eng geworden sind. In Zeiten, in denen auch Industrieveteranen wie Chris Roberts dank Kickstartererfolg von "Star Citizen" als millionenschwere "Indies" gelten, braucht es einen anderen Fokus. Die A MAZE, die vom 9. bis 11. April in Berlin stattfand, hat in den Jahren ihres Bestehens eines bewiesen: Der Fokus der Berliner liegt seit Beginn auf dem Obskuren, Experimentellen und dem Underground - wie sich in Location, den Vortragenden und den ausgestellten Spielen deutlich zeigt. Die Business-Seite des boomenden Indie-Geschäfts überließ man dem zugleich in Berlin stattfindenden trockenen Branchentreff Quo Vadis.

Pioniere und Party

Neben Auftritten von Indie-Superstars wie Jonathan Blow ("Braid", "The Witness") gehörte die Bühne der A MAZE spleenigen Innovatoren wie Pippin Barr, der an der Grenze zwischen moderner Konzeptkunst und Games arbeitet, den Art-Games-Pionieren Tale of Tales und anderen enthusiastischen Grenzgängern, die die Grenzen zwischen klassischen Videospielen, Brettspielproduktion und Kunstprojekten leichtfüßig überschreiten.

Video: ROFLpillar

Dass im offiziellen Bewerb um die am letzten Festivaltag vergebenen Trophäen der "kommerziellste" Eintrag das außergewöhnliche "The Stanley Parable" war, sagt schon einiges aus. Die Mitbewerber umfassten unter anderem Exoten wie das vollen Körpereinsatz erfordernde "ROFLpillar", bei dem die Spieler wie Raupen auf dem Boden kullern, Tale of Tales' erotisches Spielexperiment "Luxuria Superbia" und die "Choosatron Deluxe Adventure Matrix", die per Tastendruck auf Endlospapier Adventure-Entscheidungen verlangt - für letzteres Stück Hardware mit eingebautem Abenteuerspiel gab's dann am Abschlussabend auch den "Audience Award".

Video: Choosatron Deluxe Adventure Matrix

Die Kategorie "Human Human Machine Award" wurde an den ewigen Festivaldarling "Nidhogg" verliehen und der "WTF"-Award ging an "Fjords", in dem clever mit Glitches im Spiel selbst getrickst werden muss - nomen est omen.

Video: Luxuria Superbia

Der Jury-Award für das " Most Amazing Game" ging heuer an Lea Schönfelders "Perfect Woman" - im Spiel für XBox Kinect müssen sich die Spieler im Wortsinn verrenken, um im Frauenleben auf dem Bildschirm alle Erwartungen zu erfüllen. Der Titel war übrigens  auch schon im Bewerb des heurigen IGF unter den Finalisten.

Familiär und international

Auch die umfangreiche Games Exhibition, die täglich bis spät nachts zum Spielen und Ausprobieren einlud, überraschte wieder mit originellen Konzepten, innovativen Interfaces und dem unvermeidlichen neuen Fokus auf Oculus-Rift-Titel. Besonderer Publikumsliebling war heuer übrigens das hysterisch komische und zugleich slapstick-gewalttätige Fighting-Game "Gang Beasts", in dem sich bis zu vier plumpe Plastilinmännchen mit realistischer Physik und Heimtücke an die Gurgel gehen - ein Geheimtipp für jeden Local-Multiplayer-Abend.

Video: Gang Beasts

Von Monetisierung, Free2Play-Konzepten und Businessplänen sprach kaum jemand auf diesem Festival, stattdessen ist die A MAZE endgültig eine große, glückliche und angenehm räudige Party geworden, auf der sich die internationale Independent-Szene vernetzt und gemeinsam feiert. Auch wenn das "Indie" aus dem Namen dieses Treffens verschwunden ist: Das A MAZE/Berlin verkörpert eine internationale, aber trotzdem familiäre Games-Boheme, die weiterhin enthusiastisch am kreativen Experimentieren ist. (Rainer Sigl, derStandard.at, 14.4.2014)