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Die Fahne der Republik über den Gebeinen der Opfer der Faschisten: Juana Gutierrez weint während der Bestattung der Überreste ihres Großvaters bei Burgos.

Foto: REUTERS/Eloy Alonso

Am 14. April 1931 wurde Spaniens Zweite Republik ausgerufen. Eine kurze demokratische Phase, die nach dem Wahlsieg der linken Volksfront 1936 mit dem Putsch des späteren Diktators Francisco Franco in den Bürgerkrieg mündete. "Es war ein Tabu, die Republik zu erwähnen. Vor 15 Jahren konnte man sich gar nicht dazu äußern", sagt Emilio Silva Barrera, Präsident des "Vereins zur Wiedererlangung der historischen Erinnerung", im Standard-Gespräch. "Nun sieht man allein in sozialen Netzwerken viele Dutzend Gedenkveranstaltungen."

Seine NGO war die erste, die Massengräber aus jener Zeit öffnete. "Allein in den ersten drei Monaten des Bürgerkriegs sind mehr als 100.000 Menschen, mehrheitlich Zivilisten und Lokalpolitiker, erschossen worden", weiß er. Und: Bis heute seien die Wunden tief. Wurde doch mit der Wende zur Demokratie um 1977 ein Amnestiegesetz beschlossen, das Straffreiheit für Täter, Faschisten wie Republikaner, garantiert.

Knapp 37 Jahre nach dem Ende der Diktatur gibt es nun dennoch zwei Vorstöße, deren Verbrechen juristisch aufzuarbeiten. Zum einen klagten Überlebende und Nachkommen der rund 7000 in Konzentrationslagern internierten Republikaner, für die es in Mauthausen eigens einen Stern in den Farben der republikanischen Flagge - Rot, Gelb, Violett - gab. Viele spanische KZ-Opfer waren nach dem Bürgerkrieg nach Frankreich geflohen, wo sie sich dem Widerstand anschlossen. Mehr als 4300 Spanier wurden in KZs, mehrheitlich in Mauthausen, ermordet.

Das im Jahr 2008 eingereichte Verfahren am Madrider Nationalgerichtshof richtet sich primär gegen überlebende SS-Mitglieder, die Lageraufseher waren. Mit ein Ziel ist es aber, sich so auch über das Amnestiegesetz hinwegzusetzen und das Franco-Regime und seine Helfer wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilen zu lassen.

Mauthausen als "Hintertür"

"Es war die Hintertüre, um die Straffreiheit aufzuheben. Doch sie haben den Spielzug durchschaut", zitiert die Onlinezeitung Público einen der Kläger im "Mauthausen-Fall". Denn eine der jüngsten Reformen der Rechtsregierung unter Premier Mariano Rajoy vom konservativen Partido Popular hat Verfahren universeller Gerichtsbarkeit einen Riegel vorgeschoben.

Doch dieser spezielle Fall hat realistische Chancen: Bezieht er sich doch auf die Rechtsprechung der Nürnberger Prozesse, die Spanien akzeptierte, als es 1955 der Uno beitrat. Die Staatsanwaltschaft forderte vergangene Woche daher, die "Mauthausen-Causa" fortzusetzen.

Der zweite juristische Vorstoß begann vor drei Jahren in Argentinien, am Gericht von Buenos Aires. Mit Beteiligung von Silva Barreras NGO als Mitkläger wurde dort ein Prozess eröffnet, der sich gegen eine Handvoll noch lebender Franco-Schergen richtet.

Die zuständige Richterin María Servini de Cubría forderte bereits von Spanien Auslieferungen von Beschuldigten, wie die eines der laut seinen Opfern brutalsten Sadisten der Diktatur, Juan Antonio González Pacheco alias "Billy, el Niño", oder des ehemaligen Zivilgardisten Jesús Muñecas.

"Schritt für Schritt heben wir die Immunität der Franco-Ära auf", sagt Silva Barrera über die erste Einvernahme von González Pacheco vergangene Woche: "Es war undenkbar, dass er je vor Gericht muss." Aus Argentinien langte ein weiteres Ansuchen ein, um 15 weitere Handlanger, darunter erstmals politisch Verantwortliche, vorzuladen.

Selbst der UN-Sondergesandte Pablo de Greiff warf Spanien vor, "in der Aufarbeitung der Vergangenheit viel zu langsam zu sein". Das Amnestiegesetz müsse man aufheben, denn: "Es gibt Probleme, die kann man nicht unter den Teppich kehren. Menschen vergessen überraschenderweise nicht."

(Jan Marot aus Granada, DER STANDARD, 14.4.2014)