Jeder behaupte, ihn erfunden zu haben, meint Peter Spak vom zweitgrößten Gabelbissen-Hersteller Spak in Wien-Simmering, "wir natürlich auch". Sein Vater habe jedenfalls im Jahr 1935 damit begonnen, den so genannten "Gabelbissen" herzustellen, nach dem Krieg sei der dann besonders gut gegangen, in den 60er-Jahren hätte es Einbrüche aufgrund der stärkeren Konkurrenzsituation gegeben, seitdem ist der Markt für den Gabelbissen aber einigermaßen stabil. Was schon einmal erstaunlich genug ist, da wohl kaum etwas weniger in das Bild der modernen Ernährung passt als der Gabelbissen, ein Schüsselchen voller Mayonnaise-Salat mit ein bisschen Gemüse, Schinken, Ei oder Fisch drauf, mit Aspik hermetisch versiegelt. Nicht rechtsdrehend, nicht probiotisch, nicht "light", von schick oder cool gar nicht zu reden. Dennoch verkauft sich der Gabelbissen alias "Schüsserl" nicht wirklich schlecht, allein Marktführer Wojnar produziert fünf Millionen Stück pro Jahr, Spak nicht viel weniger, und beide gemeinsam machen etwa siebzig Prozent des Marktes aus. Der Gabelbissen ist also ganz schön vorne mit dabei.

Von den französischen Terrinen hätte sich Firmengründer Josef Wojnar in den 30er-Jahren inspirieren lassen, weiß man bei Wojnar in Inzersdorf in Wien, Gemüsemayonnaise, Gabelbissen als österreichische Antwort auf Frankreichs kalte Küche sozusagen, auf jeden Fall aber eins der frühen Convenience-Produkte und dementsprechend revolutionär. "Im Prinzip sei das schon eher was für die Elterngeneration", meint die 28-jährige Nina Wojnar, Co-Geschäftsführerin und in der Produktentwicklung des Familienunternehmens beschäftigt, ihre Generation esse das ja eher weniger. Wobei man immerhin neben den "full fat"-Varianten auch solche mit Joghurt-Mayonnaise anzubieten hat, und zwar ebenso in den klassischen Rezepturen "Ei", "Wurstblatt", "Hering" und "Thunfisch". Der Renner aber sei der Trio-Gabelbissen, bei dem man in drei verschiedenen Näpfen Hering, Ei und Wurst vorfinden kann, "Stückzahlenmäßig ist es auf jeden Fall ein starkes Produkt", so Nina Wojnar. Die Grundrezepturen hätten sich auf den ersten Blick zwar kaum geändert, wurden aber natürlich den technischen Standards und den Ernährungsgewohnheiten angepasst, "so machen wir die Mayonnaise halt nicht mehr so fett, und so eine Gelatine wie in den 60er-Jahren gibt's ja heute auch gar nicht mehr".

An Variationen oder Neukreationen sei jedenfalls einmal gar nicht gedacht, versichert Peter Spak, "das will bei diesem Produkt keiner". Und generell sei er für den Gabelbissen doch recht optimistisch, "weil wenn's den Leuten vorsichtig geht, so wie jetzt, dann ist er elegant genug. Wenn's ihnen besser geht, essen sie dann wieder Räucherlachs".

Den Martina Willmann vom Schwarzen Kameel in Wien zum Beispiel auf ihre, eigens für den STANDARD entworfene "Kreativ-Variante" des Gabelbissens, auf Basis von Wasabi-Mayonnaise mit Fenchel, legt. In einer zweiten, etwas konservativeren Version kommt der Beinschinken mit Feigencreme auf einer Apfel-Weißkraut-Mayonnaise zu liegen. Ruben Brunhart von der Ruben's Brasserie im Palais Liechtenstein hat den Gabelbissen sogar auf der Speisekarte, und zwar in einer Spanferkel-Version, traditionsgemäß aber ebenfalls mit reichlich Aspik und Mayo. Joachim Gradwohl, neuer Küchenchef im Meinl am Graben, entschied sich bei seinen Desig- ner-Gabelbissen einmal für Schinken, einmal für Lachs und einmal für Flusskrebse auf Freilandgurken-Mousse. Es muss also nicht immer Hering sein. (Der Standard/rondo/Florian Holzer/22/08/2003)