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Der palästinensische Premier Mahmud Abbas stornierte nach dem Anschlag alle seine Auslandsverpflichtungen.

Foto: APA/EPA/Atef Safadi

Sowohl auf israelischer als auch auf palästinensischer Seite fanden am Mittwoch, dem Tag nach dem blutigsten Attentat in Israel seit drei Jahren, Dringlichkeitssitzungen statt. Bilaterale Gespräche gibt es vorerst keine mehr.

Jerusalem/Wien – Nach dem verheerenden Anschlag auf einen Bus in Jerusalem am Dienstag scheint die Roadmap, deren Verwirklichung nie richtig angelaufen war, an ihrem Ende angekommen. Hatte die israelische Regierung bei zwei Anschlägen mit zwei Toten in der vergangenen Woche noch nicht die Palästinensische Autonomiebehörde direkt verantwortlich gemacht, so ist das diesmal anders. Der palästinensische Premier Mahmud Abbas (Abu Mazen) und sein Sicherheitsberater Mohammed Dahlan schaffen es nicht, die radikalen Gruppen unter Kontrolle zu bringen und zu halten, angesichts von zwanzig Toten, darunter viele Kinder, kann die israelische Politik nicht einfach sagen, sie schaffen es "noch nicht".

Die Gründe für das Unvermögen Mahmud Abbas' bleiben an so einem Tag ausgeblendet – und bei den Rechten in der israelischen Regierung sowieso. Dort herrschen die üblichen Reflexe vor, man solle das Hauptquartier Yassir Arafats dem Erdboden gleichmachen – als ob das irgendetwas an den Parametern dieses Konflikts ändern würde -, aber auch, man solle die prinzipielle Entscheidung treffen, die Roadmap zu verlassen, an deren Ende die Errichtung eines "Terroristenstaates" an der Seite Israels stehen würde.

Der Abgesang auf Abbas hat begonnen, Beobachter rechnen damit, dass er den Herbst politisch nicht überleben wird. Seine Unterstützung unter den Palästinensern ist minimal, deren Mehrheit zwar für Reformen in der Autonomiebehörde war, aber den neuen Premier nur als Polizisten in israelischen Diensten wahrnimmt, und zwar einen, der am Ende des Tages nichts nach Hause bringt: Die "Liquidationen" von mutmaßlichen Terroristen wurden fortgesetzt, die Gefangenenfreilassungen waren qualitativ und quantitativ enttäuschend, die Entfernungen von Siedlungsvorposten eine Farce, vor allem aber geht der Mauerbau weiter, der jede Hoffnung auf eine faire Aufteilung des Territoriums schwinden lässt.

Auf der anderen Seite lässt das palästinensische Unvermögen auch denjenigen israelischen Kräften, die dem Friedensprozess wirklich verpflichtet sind, fast keine Wahl: Wie kann man denjenigen einen Staat übergeben, die diesen von vorneherein nicht kontrollieren, die auf den "guten Willen", eine "Waffenruhe" von terroristischen Gruppen angewiesen sind, die kaum die Hälfte der angekündigten Zeit gehalten hat? Auch aus den USA wird die Forderung lauter, dass Abbas offensiv gegen die Extremisten vorgeht, sie entwaffnet, ihre Strukturen zerschlägt: Hinter vorgehaltener Hand weiß jedoch fast jeder, dass das vielleicht nur um den Preis eines Bürgerkriegs möglich sein wird. Sharons Problem mit den ultrarechten Siedlern (bei weitem nicht alle gehören da dazu) ist dem Abbas' indes strukturell nicht unähnlich: Die Wahrscheinlichkeit, dass er sie eines Tages wirklich konfrontieren, dass er sie mit Gewalt aus aufzulösenden Siedlungen entfernen lassen muss, ist jedoch minimal. Der Palästinenserterror weiß das zu verhindern. (DER STANDARD, Printausgabe, 21.8.2003)