Wien – Den Mitgliedern unserer Mediengesellschaft ist das Katastrophale zum ständigen Begleiter geworden. Seine Inszenierungen sickern in das Lebensgefühl jedes Einzelnen und erzeugen dort Grundstimmungen der Unruhe. Aus diesen Stimmungen destilliert die Wiener Gruppe Theatercombinat unter der Regisseurin Claudia Bosse eine choreografische Performance mit dem Titel what about catastrophes?. Zu sehen ist deren beinahe dreistündige Uraufführung bis Sonntag im Tanzquartier Wien.

Bosse hat die Museumsquartier-Halle G in eine Art Ober- und Unterbühne zweigeteilt. Erstere ist in die Tribüne eingebaut. Auf ihr versammeln sich die fünf Performerinnen und Performer zusammen mit dem Publikum und denken laut über das Katastrophische nach. Der Hauptakt findet dann auf der größeren Unterbühne statt: Dort bekommen sprechende Schachteln Beine, eine Lichtinstallation lässt Stimmen laut werden, Globen liegen umher, gespenstisch leuchten Zeichnungen von Kriegsszenen.

In einem langen Monolog lässt Schauspielerin Alexandra Sommerfeld die biblische Johannes-Apokalypse Revue passieren und liefert so den Hinweis darauf, dass das Christentum seit mehr als 2000 Jahren ungeduldig mit dem Jüngsten Gericht rechnet. Die Katastrophe ist also auch ein Versprechen – das bis dato uneingelöst geblieben ist.

Unerlöst bleibt nicht nur die Christenheit, sondern auch dieses Stück des Theatercombinat. Denn was hinter der biblischen Unruhe des medial umgarnten Gegenwartsmenschen naturhaft und sozial wirkt, äußert sich hier lediglich als unheimliche Hintergrundgeräusch-Kulisse. Vor einer solchen dreht sich der Mensch weltvergessen um die eigene Achse.

Etwas weniger Bedeutungsmystizismus hätte dieser stellenweise atmosphärisch sehr schönen Arbeit gutgetan. Auch mit dem Risiko, dass das Publikum weniger deutlich auf seine eigene Hilflosigkeit hingewiesen worden wäre. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 12./13.4.2014)