Wild wuchernde Gärten, Chilis, riesige Fische aus dem Amazonas und Caipirinha mit Cashewfrucht entdeckte Bianca Gusenbauer in der brasilianischen Metropole.

Mitten im Zentrum fotografiert, scheint die Stadt an keinem Eck ein Ende zu nehmen. Wer sich dazu verleiten lässt, vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr zu sehen, der übersieht in São Paulo aber auch die schönen und spannenden Ecken.

Foto: Bianca Gusenbauer

Als ich mich auf den Weg zum Treffpunkt mit Claudia Visoni mache, dem Master Mind hinter der Urban Gardening-Szene in São Paulo, bin ich völlig überrascht wie hügelig und kleinstrukturiert sich diese Stadt gibt.

Foto: Bianca Gusenbauer

Ihren Job als Journalistin hat Claudia Visoni für dieses Projekt kurzerhand an den Nagel gehängt, um sich zu 110 Prozent der Rekultivierung alter, in Vergessenheit geratener Pflanzensorten im öffentlichen Raum zu widmen.

Verlorenes Wissen über die Kultivierung von traditionellen Pflanzensorten erhalten und zurückgewinnen steht daher im Mittelpunkt dieser Gruppe, die sich damit klar gegen die Globalisierung der Lebensmittelproduktion stellt.

Foto: Bianca Gusenbauer

Ein Dorn im Auge ist dieser öffentliche Garten so manchem konservativen Bewohner der Umgebung, erzählt mir Claudia, da geordnete Unordnung unplanbar vor der Haustüre passiert. Als wir uns unterhalten kommt eine junge Mutter mit ihrer Tochter und erntet Gemüse - und auch ein Mitglied der Gruppe schaut zum Gießen im Garten vorbei.

In einer Stadt wie São Paulo ist dieses Konzept, einen öffentlichen Raum als Garten ungeschützt für jeden zugänglich zu machen, völlig neu und gleichzeitig ganz unproblematisch. Seit 2012 gibt es bereits diesen Garten, der gedeiht und wächst.

Foto: Bianca Gusenbauer

Eine ähnliche Mission verfolgt Mara Salles, die wohl bekannteste Köchin der Stadt, die sich seit mehr als 20 Jahren mit den traditionellen Zutaten und Gerichten der brasilianischen Küche beschäftigt.

Ein Steckenpferd sind die verschiedenen Chili-Sorten des Landes, die sie selbst in Öl einlegt. Nur "Pimenta Baniwa", ein voll aromatischer und sehr scharfer Chili gibt es in Pulverform, der von dem kleinen Stamm "Baniwa" im Amazonas hergestellt wird. 

Foto: Bianca Gusenbauer

"Die Chilis haben in Brasilien das Stigma der Armut, da sie historisch gesehen überwiegend in der Küche der Ureinwohner und der Sklaven  verwendet wurden. Über lange Zeit hinweg galt es daher als unfein, Chilis in der brasilianischen Küche zu verwenden", erklärt Mara. 

Foto: Bianca Gusenbauer

Pirarucu, der riesige Fisch aus dem Amazonas, ist spätestens seit dem bekannten Foto von Alex Atala auch in Europa bekannt. Weniger posenhaft und bekleidet präsentiert, gibt es diesen aromatischen Fisch auch auf der Speisekarte im Tordeshilhas, dem Restaurant von Mara Salles zu finden. Die Gräten so groß, dass sie eher an dünne Knochen erinnern, an denen man sich garantiert nicht verschlucken, sondern höchstens aufspießen kann.

Foto: Bianca Gusenbauer

Der bekannteste und beliebteste Jungkochstar in Brasilien ist Rodrigo Oliveira, der das Restaurant "Mocotó" der Familie übernommen und mit seinem jungen Kochgeist revolutioniert hat. Den Balanceakt zwischen traditioneller Küche und einer neuen Interpretation scheint er hervorragend geschafft zu  haben.

Foto: Bianca Gusenbauer

Dem Gericht "Mocotó" verdankt das Lokal seinen Namen: Ein dickflüssiger, geleeartiger Eintopf mit Rindshaxen und Gemüse aus dem Nord-Osten des Landes. Wärmend und nährend ist diese beliebte Speise, mit der sich schon der Vater von Rodrigo einen Namen in der Stadt gemacht hat.

Foto: Bianca Gusenbauer

Dass mit der Cashewfrucht auch ein Caipirinha gemixt werden kann, - und dabei die Frucht am besten mit etwas Salz und die Nuss auf der Frucht sitzt -, wird mir von Rodrigo an der Bar im Mocotó nahe gebracht. Obwohl dieses Restaurant wirklich etwas außerhalb des Zentrums liegt, sollten Sie bei einem Aufenthalt in São Paulo den Weg dorthin mit dem Taxi in Kauf nehmen.

Foto: Bianca Gusenbauer

Dagoberto Torres, ein Kolumbianer mit einer großen Ceviche-Leidenschaft (sprich: Se-vi-tsché), habe ich in seinem Restaurant "Suri" besucht. An der Bar sitzend, kann man den Workflow der Küche und die Zubereitung der eigenen Speisen hervorragend beobachten. Ein Rezept für Ceviche und mehr über Dagoberto ist auf meinem Blog "Gib Bianca Futter!" zu finden.

Foto: Bianca Gusenbauer

Wenig Schlaf, viel gutes Essen,  interessante Köche, Köchinnen und Foodies haben meine Tage in São Paulo äußerst kurzweilig gestaltet, bevor ich weiter in den Amazonas, der Vorratskammer Brasiliens, aufgebrochen bin, um noch mehr über die traditionelle Küche zu erfahren. So viel kann ich schon verraten: sehr spannend und aufschlussreich war dieser Abstecher in den Norden. - Darüber werde ich in Kürze berichten. (Bianca Gusenbauer, derStandard.at, 14.4.2014)

Mehr über Bianca Gusenbauer und ihrem Projekt "Geheime Schnatterei" können Sie auf ihrem Blog "Gib Bianca Futter!" erfahren.

Foto: Bianca Gusenbauer