Sehr viel Natur auf São Tomé. Wer auf einen Sprung auf der Nachbarinsel Príncipe vorbeischaut, kann dort ein touristisches Öko-Projekt beim Wachsen beobachten.

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Anreise: TAP fliegt ab Wien über Lissabon 3 x pro Woche nach São Tomé; von São Tomé nach Príncipe: 5 x pro Woche. Preis ab 900 Euro. Info-Tel. 01806-000341. Flug von São Tomé nach Príncipe: 5x pro Woche, www.africas-connection.com, www.stpairways.st. Preis: ab ca. 100 Euro.

Visum: Zu beantragen bei der Botschaft der Republik São Tomé e Príncipe, Av. De Tervuren, 175, B, B-1150 Brussels, Tel. +32-27-348966, E-Mail: ambassade@saotomeeprincipe.be oder online: www.smf.st. Preis 20 Euro.

Unterkunft: Bom Bom Island Resort, Príncipe,, DZ ab 250 Euro.
Omali Lodge, São Tomé, Preis ab 185 Euro DZ/Nacht.

Gesundheit: geringe Malariagefahr, Geldfieberimpfung ist Pflicht.

Beste Reisezeit: in der Trockenzeit von Juni-September

Grafik: DER STANDARD

Es gibt Universen auf unserer Erde, von denen die Welt wenig weiß. Weil sie einfach zu winzig sind. Oder weil sie aus der Zeit gefallen sind. Fährt man mit dem Finger auf der Landkarte am Äquator entlang, muss man kurz vor der Küste Westafrikas Halt machen. Dann findet man in der Bucht von Guinea so ein Universum – die Inselrepublik São Tomé und Príncipe.

Príncipe ist noch siebenmal kleiner als die Hauptinsel São Tomé: 128 Quadratkilometer groß, mit einem Kleingebirge aus erloschenen Vulkanen und tropischem Regenwald bis an die Küste – je dichter, desto weniger Menschen: Nur 5000 Einwohner zählt das Eiland. Graziös geschwungene Buchten rahmen das Grün, dazu goldgelbe Strände, an der Flussmündung des Rio Papagaio die wohl fünfhundert Häuser der Inselkapitale Santo António. "Leve-leve" heißt hier das Motto, immer mit der Ruhe.

Im Schritttempo wankt der Geländewagen über die ausgewaschene Lehmpiste, vorbei an geräumigen Stelzenhütten in Muschelweiß, Bonbonrosa oder Patinagrün. Sie sind einfach, doch Elend sieht anders aus. Tropische Fruchtbarkeit explodiert vor und hinter den Gartenzäunen. Mango-, Papaya-, Maracuja- und Guavenbäume schießen aus dem Boden, Bananenstauden wuchern, Schlingpflanzen wickeln sich um alles. An den Türen der Hütten hängen Plaketten der Anti-Malaria-Kampagne, mit der man die Tropenkrankheit zurückgedrängt hat. Autos sind nicht zu sehen, es gibt auf der Insel bloß 30 davon. Die Menschen gehen zu Fuß, immer schön langsam, leve-leve. Auf dem Kopf balancieren sie Wasserkanister, Fische, die im Fluss gewaschene Wäsche und bei Regen Bananenblätter. Ein Feldarbeiter bleibt stehen, versteckt vor den Fremden die scharfe Machete hinterm Rücken und grüßt – eine Frage des Stils.

Nur eine Handvoll Straßen, ansehnliche Häuser aus der Kolonialzeit, ein roséfarbener Gouverneurspalast, Kirchen, eine Radiostation, eine Post, zwei Banken, ein Markt und drei nette Restaurants wie das Rosa Pão – das ist Santo António, der Hauptort von Príncipe. Als wäre die Zeit stehengeblieben. Die schläfrige Hauptstadt São Tomé auf der Schwesterinsel erscheint dagegen wie eine quirlige Metropole.

Bis 1975 war die heutige Republik eine portugiesische Kolonie. Die Plantagenwirtschaft florierte. São Tomé und Príncipe zählten zu den drei größten Kakaoproduzenten der Welt. Die Sklaverei war lange abgeschafft, doch Formen der Zwangsarbeit blieben bis ins 20. Jahrhundert bestehen. Als die weißen Herren das Land verließen, verfielen die Plantagen.

Endemische Arten

Auf Príncipe sind die Natur, die Menschen und ihre ständige Bereitschaft zum Lächeln die Attraktion. Der Regenwald, der die Südhälfte überwuchert, ist wegen der ungewöhnlich großen Zahl an endemischen Pflanzen und Vogelarten gerade unter Unesco-Schutz gestellt worden. Ein Himmelreich für Wanderer, Botaniker, Vogelbeobachter. Vereinzelte touristische Anläufe gab es deshalb bereits.

Wie das Bom Bom Island Resort. Es liegt auf einer schmalen Landzunge an der Nordspitze, Strand auf beiden Seiten. Außer Papageiengekrächze und Palmenrascheln ist hier nur das fünfmal pro Woche verkehrende Propellerflugzeug zu hören. An der Rezeption kann man von Regenwald-Wanderungen über Whale- oder Bird-Watching bis zum Hochseeangeln fast alles buchen.

Um Affenbrotbäume und einen Pool in der Mitte gruppieren sich neunzehn Bungalows. Das türkise Meer und der Schnorchelfelsen, bei dem man Muscheln, Schildkröten, Zebra- und Papageienfische findet, liegen vor der eigenen Terrasse. Die Spuren im Sand sind von den eigenen Füßen. Auf dem langen Holzsteg über das kleine Vulkanriff erreicht man Restaurant und Bar. Dies ist der Platz, der auch Mark Shuttleworth romantisch machte.

Die Bevölkerung nennt den Südafrikaner nur den "Mann vom Mond", weil er 2002 als zweiter Weltraumtourist mit einem 15-Millionen-Euro-Ticket ins All flog. Zurück auf dem Blauen Planeten fand der IT-Millionär den Himmel auf Erden: Príncipe. Und er beschloss, das Paradies zu retten. Das lässt er sich nun weit mehr kosten, als die Spritztour zu den Sternen. Er hat dafür das Unternehmen Here be Dragons (HBD) gegründet.

"Hier wohnen Drachen" schrieben englische Seeleute früher auf die unbekannten Regionen in ihren Seekarten. Príncipe ist so ein Drachenland, wo man garantiert bei null anfangen kann. Alle Versuche vorher waren kurz, lokal begrenzt und ohne gestalterisches Konzept. Shuttleworth dagegen hat eine Vision: Tourismus als Entwicklungsmodell im Einklang mit der Natur, der Artenvielfalt und der Bevölkerung.

Traumstrandsammler

HBD hat bereits die Hälfte der Nordinsel gekauft oder gepachtet, darunter das Bom Bom Island Resort, Traumstrände wie Macaco, Boi und Uba, wo weitere Luxusherbergen entstehen sollen – umweltverträglich und rückbaubar. Auch zwei brachliegende Plantagen gehören dazu, Roça Paciência und Roça Sundy. "Wir werden bis 2020 mehr als 70 Millionen Euro investieren", sagt Nuno Rodrigues, Direktor von HBD aus Lissabon. Zielgruppe sind Menschen, die ihr Glück in der Zurückgezogenheit suchen. "Pauschaltourismus wollen wir nicht", sagt Rodrigues.

Auch der Boss der Drachenfirma ist für leve-leve, für sanftes Vorgehen. Nur so könne man verändern, ohne zu zerstören. Auf den Plantagen sollen wieder Kakao, Kaffee, Vanille, Ingwer und Pfeffer wachsen. Mit geschulten Mitarbeitern und eigenen Pflanzungen will er autark werden. Der autonomen Regierung von Príncipe hat HBD eine Job-Garantie gegeben: 90 Prozent der Mitarbeiter sollen Einheimische sein.

Roça Sundy ist die einzige Plantage, die einigermaßen erhalten ist. Bis 2019 werden hier in Boutiquehotel, ein botanischer Garten, ein Museum und eine Sternwarte entstehen. Noch immer wirkt die Anlage wie eine Kleinstadt mit Herrenhaus, Wohntrakten für mehr als 1000 Arbeiter, Krankenhaus und Kirche. Eine Kooperative ist von damals übriggeblieben, knapp hundert Familien. Sie leben von der Landwirtschaft, vom Fischfang – und von der Hoffnung auf einen neuen Anfang. Unterhalb der Plantage liegt der Sundy-Strand, an dem ein Luxushotel gebaut werden soll. Das Fischerdorf wird in diesem Jahr umgesiedelt, die Bewohner werden entschädigt. Auch eine Drachenfirma denkt ans Geschäft.

Der Anfang ist gemacht. Die Landepiste des kleinen Flugplatzes wird verlängert, damit bald größere Maschinen landen können. Das Bom Bom Island Resort ist schick renoviert, auch wenn es wie ausgestorben wirkt. Rund 500 Gäste kamen 2012. Doch es sollen mehr werden, leve, leve. (Beate Schümann, DER STANDARD, Rondo, 11.4.2014)