Wien - Bemerkenswerte Entwicklungen gibt es bei den Ermittlungen der Justiz nach den Ausschreitungen im Hanappi-Stadion vom 7. September 2013: Das Wiener Oberlandesgericht hat am 31. März die sofortige Enthaftung von Oliver P., dem Ex-Chef der Rapid-Ultras, angeordnet, wie am Mittwoch bekannt wurde. Bei P. würden "keine ausreichenden Anhaltspunkte" für ein strafbares Verhalten vorliegen.

Fünf Rapid-Fans in U-Haft

Der 32-Jährige war Anfang Februar gemeinsam mit vier weiteren Rapid-Fans in U-Haft genommen worden. Die Staatsanwaltschaft Wien, die im Zusammenhang mit den Randalen nach einem Match zwischen Rapid und dem 1. FC Nürnberg gegen insgesamt 46 Personen wegen Landfriedensbruchs, Körperverletzung, gefährlicher Drohung, Widerstands gegen die Staatsgewalt und schwerer Sachbeschädigung ermittelt, ging bei den fünf von einer führenden Beteiligung aus. Während die übrigen mutmaßlichen Rädelsführer nach einiger Zeit gegen gelindere Mittel enthaftet wurden, blieb Oliver P. in U-Haft, durfte diese ab Mitte März aber wenigstens in Form des elektronisch überwachten Hausarrests zu Hause absitzen.

Späte Videomaterial-Auswertung

Die zuständige Staatsanwältin schoss sich ein Eigentor, als sie die Entscheidung des Wiener Straflandesgerichts bekämpfte, das Oliver P. die Fußfessel genehmigt hatte. Nun hatte nämlich das OLG die Beweislage zu prüfen, und ein Drei-Richter-Senat unter Vorsitz von Richter Dietmar Krenn machte sich - offensichtlich im Unterschied zu sämtlichen zuvor mit der Sache betrauten Justizvertretern - die Mühe, nicht nur die Standbilder aus den Überwachungskameras zu betrachten, die den Ex-Ultras-Chef belasten sollten.

Das OLG sichtete das gesamte Videomaterial und gelangte zu dem Schluss, die Videosequenzen ließen keine Rückschlüsse "auf ein von der Staatsanwaltschaft angenommenes gewaltsames bzw. tätliches Vorgehen des Beschuldigten" zu. Zwar spreche P. "mit einer gewissen Bestimmtheit" mit einem Ordner, "ein 'Stoßen' oder ein im Sinn einer Körperverletzung interpretierbares 'Attackieren' findet jedoch nicht statt", heißt es in dem mit 31. März datierten OLG-Beschluss.

Kritik am Erstgericht

Dieser Beschluss kritisiert auch in recht deutlichen Worten das Erstgericht, das die U-Haft - wenn zuletzt auch in Form der Fußfessel - verlängert und P. ein "Wegstoßen" bzw. "Provozieren" des Ordners unterstellt hatte. Eine Provokation sei noch kein strafrechtlicher Tatbestand, das angebliche Wegstoßen habe nicht einmal der betroffene Ordner selbst behauptet, bemerkt das OLG. Ein Zusammenhang zwischen P. und einer Verletzung des besagten Ordners, der später von einer Glasflasche getroffen wurde, sei "weder ersichtlich noch behauptet" worden.

"Zu keinem Zeitpunkt des Videoverlaufs entsteht der Eindruck gewaltbereiter Aggressivität des Beschuldigten", hält das OLG fest. Die DVD vermittle vielmehr "den Eindruck der vom Beschuldigten behaupteten deeskalierenden Haltung". 

Genugtuung bei Verteidiger

Die Entscheidung des OLG löste bei P.s Verteidiger Marcus Januschke Genugtuung aus. Januschke hatte stets darauf hingewiesen, sein Mandant habe sich in diesem Fall nichts zuschulden kommen lassen, sondern die Situation beruhigen wollen, indem er sich gerade einmal drei Minuten lang in der Menschenmenge aufhielt. Danach habe er sich zurückgezogen.

Wie Januschke am Mittwoch im Gespräch mit der APA betonte, hält sich P. von der Fanszene bewusst fern, seit ihm die Fußfessel abgenommen wurde. Das Derby am vergangenen Wochenende habe er daheim vor dem Fernseher verfolgt. (APA, 9.4.2014)