Berlin/Prag/Wien - Eine grölende Meute schiebt sich fäusteschwingend und mit hassverzerrten Gesichtern durch tschechische Ortschaften und fordert "Arbeitslager für Zigeuner".

Was im August 2013 international für Entsetzen gesorgt hat, wird sich laut Amnesty International diesen Sommer wiederholen. Dann sind neue Demonstrationen der tschechischen Arbeiterpartei für soziale Gerechtigkeit (DSSS) angekündigt.

Der Bericht We ask for Justice, den die Menschenrechtsorganisation am Dienstag, dem internationalen Roma-Tag, vorgestellt hat, zeichnet ein düsteres Bild der Realität von Roma und Sinti in Europa. So beschreibt etwa Adela, eine junge Frau aus Paris, wie sie bereits mehr als 15 Mal seit ihrer Ankunft vor zwölf Jahren vertrieben wurde: "Ich lebe hier nicht, weil es mir gefällt. Ich würde auch lieber in einem Haus wie jeder andere wohnen, und nicht in diesem Elend. Aber ich habe keine Wahl."

Armut als größtes Problem

Armut ist das eine große Problem, mit dem laut Grundrechtsagentur 90 Prozent der Roma-Angehörigen in Europa kämpfen. Gewaltexzesse, Beschimpfungen und Ausgrenzung sind die anderen Bedrohungen.

So genannte Hate Crimes, Verbrechen, die aus Hass begangen werden, seien auf dem Vormarsch, warnt Amnesty eindringlich im Roma-Bericht. Begünstigt werde ein solches Klima von europäischen Politikern, die nicht entschlossen der Gewalt entgegentreten, kritisiert Selmin Caliskan von Amnesty in Deutschland. Die EU-Kommission müsse gegen Mitgliedstaaten vorgehen, die Rassismus nicht verfolgen.

Besonders schlimm sei die Situation in Griechenland, Tschechien und Frankreich, wo die Polizei zu wenig gegen Täter ermittle oder gleich selbst "mit exzessiver und rassistischer Gewalt gegen Roma vorgeht", führt Caliskan aus. Auch in Serbien, Bulgarien und Ungarn werden zunehmend gezielte Angriffe dokumentiert.

Schweden will Taskforce

Dass die Lösung gegen den keimenden Antiziganismus nicht auf nationaler, sondern auf europäischer Ebene liegt, will Schweden erkannt haben. In der Dienstagsausgabe der Tageszeitung Dagens Nyheter gab Europa-Ministerin Birgitta Ohlsson bekannt, Schweden habe monatelang geheime Verhandlungen zur Schaffung einer europäischen Taskforce geführt, was aber am Widerstand Rumäniens gescheitert sei.

Ohlsson stellte ihren Plan am Dienstag daher ohne Zustimmung Rumäniens der EU-Kommission vor: Die Regierung von Rumäniens Hauptstadt Bukarest soll mit Mitteln aus dem EU-Sozialfonds die Lebensumstände der Roma und Sinti verbessern, damit diese gar nicht erst zum Betteln im Ausland gezwungen seien.

Eine Expertengruppe soll die Verwendung der Gelder überwachen, die zwischen 2014 und 2020 laut Dagens Nyheter rund 22,5 Milliarden Euro ausmachen.

Detail am Rande: Erst im September war bekannt geworden, dass die schwedische Polizei Roma illegal in Datenbanken registriert. (Julia Herrnböck, APA, DER STANDARD, 09. 04. 2014))