Protestaktion gegen staatliche Datensammler: Aus dem Innenministerium wurde Dienstag kurzzeitig das Datenaustauschministerium.

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Thomas von Danwitz gilt als besonders penibler und scharfer Höchstrichter. Was er von der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung aus dem Jahr 2006 hält, daraus hat er bereits bei der Hauptverhandlung der Kammer am Europäischen Gerichtshof (EuGH) im vergangenen Juli kein Geheimnis gemacht.

"Man nimmt nicht einen Presslufthammer, um eine Nuss zu knacken, wenn ein Nussknacker reicht. Man schießt nicht mit Kanonen auf Spatzen. Es geht darum, Kollateralschäden zu vermeiden", hielt der Deutsche dem anwaltlichen Vertreter der österreichischen Regierung entgegen. Dieser hatte - eher kleinlaut - einräumen müssen, dass die Behörden in seinem Land 326 Zugriffe auf Kommunikationsdaten von Privatpersonen angeordnet hätten. Dabei ging es auch um minderschwere Delikte und nicht, wie eigentlich vorgesehen, nur um schwere Verbrechen und Terrorermittlungen.

Richter von Danwitz leitete das Verfahren nach mehreren Klagen in Österreich und Irland auf Bitte der nationalen Höchstgerichte um Vorabentscheidung. Am Dienstag hat der EuGH nun sein Urteil in dem aufsehenerregenden Fall, der die Datenschützer europaweit seit Jahren mobilisiert hatte, auch schriftlich veröffentlicht. Es fällt eindeutig und relativ hart aus: zurück zum Start.

Ziele verfehlt

Die Verpflichtung der Staaten zur Vorratsdatenspeicherung sei "ein besonders schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten, der sich nicht auf das absolut Notwendige beschränkt". Die Richtlinie habe ihre Ziele deutlich verfehlt, sie sei "ohne Differenzierung und Einschränkung".

Aus der Gesamtheit der Daten, die gezogen würden, ließen sich sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben der erfassten Personen ziehen, wie Ortsveränderungen, soziale Beziehungen etc. Auskunftspflichten seien nicht geregelt. Ein solcher "Eingriff von großem Ausmaß und besonderer Schwere" verstoße gegen EU-Recht und Grundrecht sagen die EU-Höchstrichter. Sie schließen sich auch dem Plädoyer des Generalanwalts an, dass der mögliche Zeitraum der Datenspeicherung (bis zu zwei Jahre) viel zu lang sei.

Bei Datenschützern und NGOs löste das Urteil Jubel aus. Die Richtlinie muss nun von der EU-Kommission neu erarbeitet werden. In Österreich muss der Verfassungsgerichtshof prüfen, ob die bestehende Regelung mit dem EuGH-Erkenntnis in Einklang steht. Fest steht aber, dass die Polizei ihre bisherige Zugriffspraxis radikal ändern muss. Aus vorliegenden Daten geht hervor, dass die Exekutive auch gespeicherte Telekomdaten abgefragt hat, um etwa Stalking und andere leichtere Delikte aufzuklären. Genau diese Fälle sind aber laut Erkenntnis des EuGH massiv überzogen.

Innenministerium: Urteil zu akzeptieren

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sagte am Dienstag, man müsse nun abwarten, zu welchem Schluss der österreichische Verfassungsgerichtshof komme. Urteile seien aber "selbstverständlich zu akzeptieren". Im Justizministerium in Wien hieß es, dass die derzeitige Regelung vorerst in Kraft bleibe. "Österreich habe die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung im Vergleich mit anderen Ländern "sehr maßhaltend umgesetzt".

Die heimische Telekommunikationsbranche begrüßt das EuGH-Urteil. Für die technische Umsetzung der verplichtenden Speicherung wurden rund 20 Millionen Euro ausgegeben. Dafür hat es auch Förderungen vom Bund gegeben. (Thomas Mayer, Michael Simoner, DER STANDARD, 9.4.2014)