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Ein Bild aus trauten Tagen: FPÖ-Chef Strache mit seinen beiden Spitzenkandidaten für die EU-Wahl - nun ist Mölzer Geschichte, Vilimsky wird Listenerster.

Foto: APA/Pfarrhofer

Wien – Andreas Mölzer ist auf der FPÖ-Liste für die EU-Wahl Geschichte. Doch bis der "nationalliberale Kulturdeutsche", wie er sich selbst gern bezeichnet, am Dienstag kurz nach zwölf Uhr Mittag seinen absoluten Kandidaturverzicht bekanntgab, lieferte er sich zu High Noon einen Machtkampf mit der blauen Parteispitze.

Denn trotz Aussprache mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und gemeinsam abgelegten Schweigegelübdes bis zum Parteivorstand heute, Mittwoch, hatte Mölzer per Aussendung seinen Rückzug als Spitzenkandidat bekanntgegeben, aber durch seinen Sprecher ausrichten lassen, dass er am 25. Mai sehr wohl auf wählbarem Listenplatz für die Freiheitlichen antrete.

Parteiintern sorgte der Rechtsaußen-Politiker, der die Union mit dem Dritten Reich verglichen und die Bezeichnung "Negerkonglomerat" verwendet hatte, mit seiner Begründung noch zusätzlich für Ärger: "Nicht (...) die geheuchelte Empörung des politischen Establishments der Republik" würde ihn zu diesem Schritt veranlassen, sondern "der Vertrauensverlust in meiner Partei", beklagte Mölzer.

Diese Vorgangsweise entsprach keineswegs jener, die der Parteichef mit ihm vereinbart hatte. Um halb zwölf stellte Straches rechte Hand, FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl, ebenfalls per Aussendung für die Öffentlichkeit klar: Im Gespräch mit dem FPÖ-Obmann sei "nachdrücklich festgehalten" worden, dass Mölzers Aussagen "mit der Kandidatur zu einer so wichtigen Position unvereinbar" seien. Denn: "Die FPÖ distanziert sich klar von Nationalsozialismus und Rassismus."

Hang zum verbalen Eklat

Erst da, um Punkt 12.15 Uhr, gab Mölzer auf. Dass ihn der engste Führungskreis aus dem FPÖ-Wahlkampf gedrängt hat, nimmt er, einst unter Jörg Haider zum blauen Vorzeigeintellektuellen und Chefideologen der Partei mit Hang zum verbalen Eklat aufgestiegen, Strache recht übel. Immer wieder hat der Herausgeber der deutschnationalen "Zur Zeit" in den vergangenen Tagen betont, dass man sich wegen ein bisschen Aufregung um ihn jetzt nun sicher nicht auseinanderdividieren lasse, weil genau das die "politisch Korrekten des Landes" doch erreichen wollten.

Als es für den Alten Herrn des Corps Vandalia immer enger wurde, war er wild entschlossen, es auf eine Kampfabstimmung im Vorstand über seine Person ankommen zu lassen – wohl nicht zuletzt, um ausloten zu lassen, ob der deutschnationale Flügel nach wie vor hinter ihm steht. Doch dazu ist es nicht mehr gekommen. Was den 61-Jährigen am meisten irritieren dürfte: dass sein Weltbild, das spätestens Anfang der Neunziger wegen der Verwendung des NS-Begriffs "Umvolkung" einer breiten Öffentlichkeit bekannt war, von Strache, Kickl & Co nun brüsk abgelehnt wird. Immerhin war Mölzer Strache als frischgebackenem Parteichef im Jahr 2005 bei der Abspaltung von Jörg Haiders BZÖ recht treu zur Seite gestanden – den alten Obmann, "den Jörg", hatte er zuvor wochenlang attackiert.

Zuletzt kursierten Gerüchte, wonach Mölzer nun mit einer eigenen Liste bei der EU-Wahl antreten könnte – sein Umfeld winkt laut "Presse" dazu ab, er selbst will sich erst am Mittwoch festlegen.

Zwar sitzt der umstrittene FPÖ-Mann, der bei Widerspruch allzu gern einen belehrend-beleidigten Ton anschlägt, seit zehn Jahren im EU-Parlament – doch weder bei den EU-Wahlen im Jahr 2004 noch 2009 sind ihm Glanzstücke gelungen. Dazu schockierte der gebürtige Steirer und Wahlkärntner auch im EU-Parlament mit seiner Einstellung: Beim 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz im Jahr 2005 weigerte sich Mölzer als einer von wenigen EU-Mandataren, für eine Resolution zu stimmen, die Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit verurteilt. Mölzers damalige Begründung: weil "mit dem Leid der Opfer tagespolitische Ambitionen verbunden werden".

Schnitzel statt Deutschtum

Trotz alledem wollte Strache auch diesmal auf ihn im EU-Wahlkampf setzen – als "Libero", wie sich der Parteichef im Jänner ausdrückte. Stattdessen soll nun Harald Vilimsky, bisher Ko-Spitzenkandidat, allein die Rolle des FPÖ-Frontmanns übernehmen. Der langjährige Generalsekretär, nicht einmal Burschenschafter, gilt als verbindlicher Charakter – und anstatt sich wie Mölzer wegen einer "Ethnomorphose" in den Wiener Schulklassen zu sorgen, trat er bisher in Anspielung auf die hohe Zuwanderung "bloß" dafür ein, dass für die einheimischen Kinder an den Schulen das Schweinsschnitzel gewährleistet sein müsse.

Für die anderen Parteien und die Regierungsspitzen kommt Mölzers Rückzug nach dem wochenlangen Wirbel zu spät. "So jemand sollte Österreich nicht im EU-Parlament vertreten", sagte Kanzler Werner Faymann (SPÖ) nach dem Ministerrat am Dienstag noch einmal ausdrücklich, als Mölzers FPÖ-Kandidatur noch in der Schwebe war.

Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) erklärte, die FPÖ-Führung sei der Bevölkerung "wochenlang eine klare Stellungnahme zu Mölzers Verfehlungen schuldig geblieben und hat es verabsäumt, sich umgehend zu distanzieren". Die Partei habe nun Sorge dafür zu tragen, dass es in dieser Partei "keinen Raum mehr für Nationalismus und Rassismus" gibt.

Ein Mitglied des engsten Kreises um Strache umschreibt dessen Dilemma in den letzten Tage vor dem Entscheid so: Vor Mölzers Ausritten "sind wir in den Umfragen so gut dagestanden wie nie zuvor. Eine Zeitlang schaut man dem Treiben halt zu, doch es ist uns nicht mehr gelungen, das Thema Mölzer an den Rang zu drängen. Wir waren in einer permanenten Defensivsituation."

Klingt alles eher nach Wahltaktik als nach blankem Entsetzen über Mölzers Kampf für die deutsche Kultur. (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 9.4.2014)