Eine Woche vor dem Vienna City Marathon war die (beinahe) letzte Chance für zwei längere und entspannte Trainingsläufe: einmal lang und langsam mit dem Hund, einmal temporeich und im Rudel für Europa

Sonntagmorgen zeigte mir der Wuff dann den Vogel. Und verkroch sich: Die Töle kann recht gut unterscheiden, welche Schuhe ich anziehe - und als ich am Sonntag schon wieder nach den Laufschuhen griff, zeichnete sich im Hundegesicht zuerst eine Frage ("Ist das dein Ernst?") und dann ein Statement ("Du kannst mich mal!") ab. Dann verzupfte sich dieser treueste Begleiter des Menschen in sein Eck - und stellte sich schlafend.

Foto: Thomas Rottenberg

Kein Wunder, schließlich hatte ich ihn tags zuvor schon mitgenommen. Und zwar nach längerer Zeit zum ersten Mal. Da sind dann auch lockere 15 Kilometer anstrengend - noch dazu, wo wir uns just jenen Zeitslot am Nachmittag ausgesucht hatten, an dem es phasenweise wirklich fast drückend schwül war.

Foto: Thomas Rottenberg

Natürlich hatten wir das dem Herrn Hund vorher nicht verraten. Auch nicht, dass wir eigentlich mehr auf dem Plan hatten. Als letzte länger-langsame Einheit vor dem Vienna City (Halb-)Marathon: zwei Stunden gemütlich. Das war die Idee gewesen. Für Cornelia kein Problem. Für den Hund - wenn man ihn daran hindert, ständig vor und zurück zu fetzen - eigentlich auch nicht. Wenn er im Training ist. Und für mich? Nun ja. Theoretisch auch nicht. Aber der Komplettausfall von vier Trainingswochen lässt sich nicht so einfach vom Tisch wischen.

Foto: thomas rottenberg

Laufen muss ein Spiel sein. Und bleiben. Für alle. Also auch und vor allem für das Tier. Weil Hunde bekanntlich nicht schwitzen können, müssen sie von außen gekühlt werden. Bis etwa zehn Grad ist meinem (Teilzeit-)Köter die Umgebungstemperatur beim Laufen wurscht. Ab dann muss ich für ihn denken. Zum Glück steckt in der Mischung ziemlich viel Labrador. Da ist es kein Problem, ihn ins Wasser zu kriegen.

Foto: thomas rottenberg

Nur eines habe ich noch immer nicht raus: Manchmal säuft er beim Laufen wie ein Loch, manchmal schaut er den Hydranten nur fasziniert an. Und manchmal will er weiter. Unabhängig von Temperatur, Strecke oder Tempo. An diesem Tag war er aber eindeutig nicht in Höchstform: Wir waren eine Stunde 45 Minuten unterwegs. Cornelias auf "Autopause" gestellter Runtastic-Tracker zeigte uns aber danach, dass wir fast eine Viertelstunde davon "artfremden" Tätigkeiten gewidmet hatten. Na und?

Foto: thomas rottenberg

Na und! Schließlich stand am Sonntag schon der nächste Lauf auf dem Programm: Das Österreich-Informationsbüro des Europäischen Parlaments hatte vor zwei Wochen das erste Mal zu einem Lauftreff geladen und allerlei unterschiedliche Figuren als Testimonials für die Teilnahme an der EU-Parlamentswahl am 25. Mai an- und herumtraben lassen.

Foto: Thomas Rottenberg

Beim ersten Mal hatte ich - grippebedingt - ausgelassen. Beim zweiten Treffen hatte ich keine Ausrede mehr. Das Gute daran: Beim ersten Mal war allerlei Prominenz anmarschiert. Unter anderem die Klubobleute von SPÖ, ÖVP und Grünen. Darüber, ob und wie lange und weit Andreas Schieder, Reinhold Lopatka und Eva Glawischnig tatsächlich gelaufen waren, nachdem die Fotografen abgezogen waren, gehen die Erzählungen auseinander. Höflich formuliert. 

Foto: thomas rottenberg

Diesmal, beim zweiten Treff, ging es eher promi- und damit auch pressefrei zu. Wobei "promifrei" nicht ganz stimmt: Othmar Karas (ganz links im Bild) ist schließlich einer der Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments. Und obwohl ich an dieser Stelle gerne über politisches Schaulaufen ablästern würde, geht das diesmal leider nicht: Karas lief von Anfang bis zum Ende mit. Und machte keine Anstalten, den Event zu seiner Privat-Wahlkampfveranstaltung umzufunktionieren: Es ging - ganz klar - darum, für das Wählen an sich zu werben.

Foto: Thomas Rottenberg

Dass sich Laufen dafür ganz hervorragend eignet, liegt eh auf der Hand. Weil die Metaphern da so abgeschmackt wie zahlreich sind. Darum erspare ich sie mir und Ihnen jetzt. Dass das bei andern Sportarten nicht ganz so gut ginge, lässt sich an einem schönen Frühlingstag im Prater aber hervorragend illustrieren: Ob "Hinhauen für Europa" die richtige Botschaft wäre, wage ich - trotz meiner Bewunderung und meines Respekts für Kampfsport - zu bezweifeln.

Foto: Thomas Rottenberg

Lauftreffs mit Botschaft sind in der Regel eher gemütliche Veranstaltungen. Darum hatte ich mir nichts dabei gedacht, als ich mich der schnelleren Gruppe anschloss. Nur betonte  unsere Coach, der Olympische Triathlet Christoph Angster, dass "für mich schnell schnell heißt". Natürlich prügelte er uns nicht in Kilometerzeiten unter vier Minuten über die Hauptallee. Aber die zehn Intervalle, die er uns laufen ließ, waren knackig.

Foto: Thomas Rottenberg

Nicht das erste oder zweite. Aber bei zehn Antritten mit nur kurzen Pausen dazwischen Vollgas zu geben, trennte dann in der Gruppe Spreu vom Weizen. Ich war Spreu - und wusste nur zu genau, dass das nicht nur an Trainingsrückstand und dem Lauf vom Vortag lag: Beim neunten Intervall beneidete ich den Wuff daheim auf seiner Decke schon einigermaßen. Trotzdem: Den guten Coach erkennt man daran, dass er alle gemeinsam ins Ziel kommen lässt.

Foto: Thomas Rottenberg

Dehnen innerhalb des Verfassungsbogens. Oder so ähnlich. VP-Mann Otmar Karas und Neos-Kandidat Stefan Gara machten es vor. Ob sonst noch Wahlkämpfer da waren? Noch ein Neos-Mann. Aber sonst?  Keine Ahnung - ich kenne die Gesichter nicht. Mea Culpa. Einen hätte ich aber erkannt. Und der war zum Glück nicht da. Denn auch wenn das heute obsolet ist, war das vergangenen Sonntag noch Thema. Und: Nein, ich wäre nicht im gleichen Pulk oder im gleichen Leiberl mit dem N-Wort-Normalfinder gelaufen. Aber trotzdem wählen gegangen. Oder: Auch und gerade, weil es solche Figuren gibt.

Foto: Thomas Rottenberg

A propos "Dehnen": Was ich sonst gerne auslasse, ist bei solchen Lauftreffs "mandatory". Die Gymnastik danach. Schließlich haben die Coaches ja Ruf, Reputation und Verantwortung.

Foto: Thomas Rottenberg

Ganz abgesehen davon geben die Partnerübungen und gegenseitigen Hilfestellungen auch wieder jede Menge Spielraum für Metaphern und Botschaften.

Foto: Thomas Rottenberg

All jene Wortspiele und Brücken, die sich hier aufdrängen zu ergänzen oder zu assoziieren, überlasse ich aber gerne der Phantasie des geneigten Publikums: Natürlich ist all das unendlich aufgelegt und platt. Und natürlich ist auch alles was hinkt, ein trefflicher Vergleich.

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Trotzdem: So falsch sind die Bilder und Ansagen auch wieder nicht. Und ein Ganzes immer mehr als die Summe der einzelnen Teile. Das kapiert sogar mein Hund - wenn er sich mit anderen auf ein Packel haut. Und ein Rudel bildet. Auch wenn er mir an diesem Tag den Vogel zeigte und sich schlafend stellte. Aber deshalb darf er ja auch nicht wählen. (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 9.4.2014)

Unmittelbar vor dem Vienna City Marathon ist Laufen auch anderswo Thema. Zum Beispiel am Freitag in Elisabeth Scharangs "Jugendzimmer" ab 19 Uhr auf FM4. Thomas Rottenberg wird dort einer ihrer Gäste sein.

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Foto: Thomas Rottenberg