Marian Adolf, Juniorprofessor für Medienkultur an der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen: "Der wissenschaftliche Nachwuchs forscht und lebt heute prekär."

Foto: Ilja Mess

"Man hatte mir in keinster Weise einen Anschlussjob in Aussicht gestellt." So beschreibt Marian Adolf, heute Juniorprofessor für Medienkultur an der Zeppelin-Universität Friedrichshafen, das (vorläufige) Ende seiner Wissenschaftskarriere in Österreich. Laut dem damals gültigen Dienstrecht des UG02 war für den wissenschaftlichen Mitarbeiter des Instituts für Publizistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien seine Karriere hier zu Ende: "Es gab damit ganz genaue zeitliche Limits, nach vier Jahren endete die wissenschaftliche Mitarbeit mit der erfolgreichen Promotion. In meiner Kohorte war klar: Damit war man weg."

"Entkrusten"

Natürlich habe die Dienstrechtsreform damals auch dazu gedient, das Wissenschaftssystem zu "entkrusten", aber: "Die Arbeit hat ein klares Ablaufdatum, auch wenn man all sein Herzblut investiert. Das ist frustrierend." Wobei Adolf grundsätzlich gar kein Problem damit hat, das Land zu wechseln. Der 1974 in Wien Geborene war schon nach Schweden ausgewandert, um mit 22 Jahren, wie er sagt: als "Spätberufener", in Wien sein Studium anzufangen. Ein Ortswechsel innerhalb des deutschsprachigen Raums ist in seinem Beruf für ihn selbstverständlich und innerhalb des Wissenschaftsbetriebs nicht die Ausnahme, sondern im Gegenteil eher die Regel.

Aufgefressen vom Lehrbetrieb

Deswegen zögerte er nicht, als er vom Ökonomen und Soziologen Nico Stehr das Angebot bekam, an die Zeppelin-Universität zu kommen. "Mein erster Gedanke war: Friedrichshafen – ich will nicht an die Nordsee!" (lacht über seinen Witz) "Aber dann hab ich mich gleich in diese kleine, aber abenteuerliche Universität am Bodensee verliebt."  Sie sei "so ziemlich das Gegenteil von einer Massenuniversität", während in Wien die Gefahr bestehe, "vom Lehrbetrieb aufgefressen zu werden". Er entschied sich innerhalb von vier Tagen, Österreich zu verlassen.

Attraktiv an dem Angebot der Zeppelin-Universität sei gar nicht in erster Linie die Ausstattung der Stelle gewesen, sondern "das Versprechen, dass es hier um die Wissenschaft geht und nicht um die Frage: Wie bewältige ich das nächste Semester, wenn sich doch nicht 900, sondern 1200 Studierende bewerben?". 

"Am Geld lag es nicht", sagt Adolf, "das war hier anfangs auch nicht berauschend. In Deutschland kennt man ja das 13. und 14. Monatsgehalt nicht, da muss man ehrlicherweise die Jahresbruttogehälter vergleichen."

Nicht nur in Österreich sei es früher üblich und möglich gewesen, an derselben Universität zu studieren, zu promovieren und sich über den Dienstweg hochzuhanteln. "Das war die gängige Praxis", sagt Adolf, "und ist heute nur mehr schwer möglich." Heute ist der Wissenschaftsbetrieb "deutlich internationaler" geworden. "Wenn man sich da nicht bewegt, hat man kaum eine Chance", sagt der Mediensoziologe. Doch Mobilität und Engagement sind keine hinreichenden Voraussetzungen für eine wissenschaftliche Karriere. "Auch heute spielt die strategische Förderung und Platzierung des eigenen Nachwuchses eine große Rolle. Ohne entsprechenden Stallgeruch ist es auch heute schwer, einen Ruf zu bekommen", so Adolf.

Pendler

Er selbst habe seine Entscheidung, Österreich zu verlassen, auch so schnell treffen können, weil er zu diesem Zeitpunkt ungebunden war. Heute lebt Marian Adolf mit seiner Familie in München und pendelt an den Bodensee. "Ich bin meiner Frau nach München gefolgt", erzählt er, "natürlich ist das ein Spagat." Er sei kein großer Fan des Pendelns, eine Uni lebe "von der Präsenz".

Für eine gute und wichtige Sache hält er die sogenannten Juniorprofessuren, wie er selbst eine hat. Dieses System, das neben Vollprofessuren zeitlich begrenzte ermöglicht, sei in Deutschland föderal geregelt und entsprechend je nach Bundesland unterschiedlich stark ausgeprägt.

Prekär leben, prekär forschen

An der Zeppelin-Universität hat man sich entschieden, neue Juniorprofessuren zukünftig nur mehr mit dem "Tenure-Track-System" auszuschreiben. Bewährt man sich im Rahmen dieser in der Regel auf sechs Jahre befristeten Professur, so kann die Stelle entfristet und in eine Vollprofessur umgewandelt werden.

"Für Karrieren in der Wissenschaft muss Planbarkeit herrschen", betont Adolf und setzt fort: "Das heißt ja nicht, dass man nicht scheitern kann." Notwendig seien aber "Verlässlichkeit" und "Transparenz der Kriterien, anhand derer man sich qualifiziert". Er fügt hinzu: "Wenn willkürlich entschieden wird, bleiben viele gute Leute auf der Strecke. Und viele werden abgeschreckt, überhaupt in die Wissenschaft zu gehen." Der wissenschaftliche Nachwuchs forsche und lebe heute prekär. Zwar sei eine Rückkehr zum alten System für Adolf nicht wünschenswert, aber dessen Reform "schüttete das Kind mit dem Bade aus. Da muss die nötige Balance zwischen Anforderung und Sicherheit, zwischen Flexibilität und Stabilität noch gefunden werden."

Wien, na sicher

Nach Österreich zurückzukehren kann er sich schon vorstellen: "Ich kenne eigentlich niemanden, der nicht gerne nach Wien gehen würde bei entsprechender Ausstattung des Lehrstuhls." (Tanja Paar, derStandard.at, 8.4.2014)