"Ich vertraue Schulz": Othmar Karas, Spitzenkandidat der ÖVP.

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Im Streit um die angebliche Unvereinbarkeit seiner Rolle als Präsident des Europäischen Parlaments mit seiner Spitzenkandidatur für Europas Sozialdemokraten bei den EU-Wahlen im Mai erhält der Deutsche Martin Schulz nun Unterstützung von parteipolitisch nicht unbedingt zu erwartender Seite. Der EU-Abgeordnete Othmar Karas, Spitzenkandidat der ÖVP in Österreich, verteidigt Schulz gegen die Angriffe aus der Fraktion der Europäischen Volkspartei, wie auch der Liberalen, Grünen und der Linken in Straßburg. "Ich vertraue Martin Schulz", erklärte Karas im Gespräch mit derStandard.at am Samstag, "ich gehe davon aus, dass er eine klare Trennung vornimmt" zwischen dem Parlamentsamt und dem Wahlkampf für seine Partei.

Wie berichtet, haben 399 EU-Abgeordnete ihrem Präsidenten in einer Entschließung diesbezüglich einen Missbrauch seines Amtes vorgeworfen, weil er Infrastrukturen des Parlaments für seine Wahlkampfauftritte nütze. Sie halten ihm – angeführt von der CDU-Abgeordneten Inge Gräßle – auch vor, dass er fünf Mitarbeiter seines Kabinetts auf Spitzenbeamtenposten im EP gehievt und eine Untersuchung im Kontrollausschuss verhindert haben soll. Und die Abgeordneten forderten ihn auf, als Parlamentspräsident zurückzutreten. Schulz wies die Anschuldigungen umgehend zurück und beharrte darauf, dass er die Dinge im Wahlkampf auseinanderhalte.

"Vertraue Schulz"

Karas, der einer der Vizepräsidenten des Europaparlaments ist, sagte nun dazu im Gespräch mit derStandard.at zur Entschließung: "Ich schließe mich dieser Kritik nicht an. Für mich gibt es keinen Rücktrittsgrund. Ich vertraue Martin Schulz.“ Er selber habe sich in den vergangenen Wochen in seiner Fraktion und im EU-Parlament nicht an der Debatte beteiligt, weil er davon ausgehe, dass der Parlamentspräsident Unvereinbarkeiten im Wahlkampf genauso vermeide wie er selber das tue: "Aber in kenne keinen Parlamentspräsidenten in ganz Europa, der zurücktritt, weil er wieder zu einer Wahl antritt", sagte Karas.

Der ÖVP-Spitzenmann führt die Debatte um Schulz darauf zurück, dass sich zum ersten Mal überhaupt ein Parlamentspräsident gleichzeitig als Kandidat für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten anbietet. Das sei grundsätzlich positiv, meint er, mehr Transparenz und Bürgernähe seien ja auch wünschenwert. "Eine Unvereinbarkeit sehe ich da nicht“, so Karas.

Dass Fragen über die klare Trennung von Infrastrukturen auftauchen, die dem EP-Präsidenten zustehen, der gleichzeitig im Wahlkampf auftritt, liege auf der Hand, meint Karas. Diesbezüglich müsse Schulz selber die Latte hoch legen, die Dinge klären: "Er muss sagen, wie er damit umgeht. Er muss auch jeweils deutlich machen, in welcher Rolle er auftritt, ob er das Parlament vertritt, oder die Partei, für die er kandidiert“, erklärte Karas, „dabei vertraue ich ihm. Es gibt auch eine Achtung vor dem Amt, die man ihm entgegenbringen sollte.“

Was den Vorwurf der angeblichen Versorgung von Kabinettsmitarbeitern auf Spitzenposten im Parlament betrifft wird Karas noch deutlicher zum Verteidiger des SPD-Spitzenmannes: „Ich halte davon gar nichts. Wir wollen doch gute Leute in der Politik, in den Kabinetten. Für diese darf es aber dann kein Berufsverbot geben“, argumentiert er, "die Mitarbeit im Kabinett eines Präsidenten oder eines Kommissars darf man nicht zum Nachteil dieser Leute machen.“ Postenbesetzungen würden vom gesamten Präsidium beschlossen, nach entsprechenden Anhörungen.

Dass es jetzt so massive Angriffe gegen den SP-Spitzenkandidaten Schulz gibt, erklärt sich der ÖVP-Spitzenmann mit der Lage in Deutschland im Wahlkampf. "Das ist eine innerdeutsche Debatte, weil der Deutsche Schulz ja der Spitzenkandidat der SPD ist“. Der Vorwürfe seien "keine Haltung der EVP-Fraktion als Ganzes“, erklärte Karas.

Sebastian Kurz: Regierungschef als Spitzenkandidat denkbar

Außenminister Sebastian Kurz äußerte sich im Gespräch mit derStandard.at am Rande des EU-Außenministertreffens in Athen zurückhaltender. Er begrüßt aber auch, dass ein Spitzenparlamentarier als gemeinsamer Kandidat einer der großen Parteien auf europäischer Ebene antritt. Kurz sieht einen Grund für die starke EU-Skepsis auch darin, "dass europäische Entscheidungsträger sehr oft ganz weit weg wirken, dass man sie oftmals gar nicht kennt" – insofern sei die Idee, europäische Entscheidungsträger zu wählen, "sehr, sehr gut". Kurz hätte sogar nichts gegen einen Regierungschef als gemeinsamen EU-Spitzenkandidat einer Parteienfamilie. (Thomas Mayer, derStandard.at, 5.4.2014)