Die politische Diskussion unter den österreichischen Bürgern kann knapp zusammengefasst werden. Sie mündet im Satz: "Alle Politiker sind Gauner." Die trotzige, schlecht argumentierte Weigerung der Regierung, einen Untersuchungsausschuss zur Hypo Alpe Adria einzurichten, beschleunigt die Wut und die Suche nach politischen Ventilen. Die Bürger schließen aus der Ablehnung dieses parlamentarischen Instruments, dass beide Regierungsparteien etwas zu verstecken hätten. Da hilft es nichts, an den Ursprung des Desasters zu erinnern, das mit der Schuldenpolitik der FPÖ in Kärnten begann. Im Gegenteil, jetzt behauptet ihr Parteichef Heinz-Christian Strache lauthals, dass die Regierung allein an der Misere schuld sei, und viele vergessliche Menschen glauben ihm das.

Bockige Ignoranz

Die Rechnung für die bockige Ignoranz der derzeit Mächtigen wird unser politisches System schon bald erschüttern. Erste Zeichen sind bereits zu erkennen. Der Eintritt der Neos führt zu einem nachhaltigen Erosionsprozess bei der ÖVP. Die Schwarzen, seit 27 Jahren in allen Regierungen vertreten, verfügen längst über kein klares Profil mehr. Ihr einziger Ausweg wäre, schnell eine verbindende Identität zu finden, wollen sie nicht noch mehr ihrer Klientel verlieren.

Wohin aber soll sich die ÖVP wenden? Die rechte Flanke ist von der FPÖ besetzt, und in der modernen Mitte der Manager und Selbstständigen grasen die Neos. Bleibt die kleine Gruppe der Beamten und Bauern, ein zu geringes Potenzial für eine Mittelpartei. Darüber hinaus wird eine geschrumpfte ÖVP weniger Posten verteilen können. Das erschwert jede Neuorientierung, weil statt strategischen Miteinanders ein Kampf um Funktionen noch stärker als bisher toben wird.

Für die SPÖ wäre dieses Szenario eine gute Chance, mit ein wenig Mut in neues Fahrwasser zu kommen. Würde die Untersuchung klar zeigen, dass die FPÖ am Anfang des Hypo-Desasters stand und die vielen ÖVP-Finanzminister der letzten Jahre die Sache nicht in den Griff bekamen oder sogar noch verschärften, wäre sie fein raus. Es würden ihre beiden derzeit stärksten Konkurrenten beschädigt, sie selbst hingegen entlastet.

Das Risiko einer solchen Situation liegt bei daraufhin vermutlich notwendig werdenden Neuwahlen. Da aber böten sich der SPÖ erstarkte Neos und die Grünen als neue Partner, die für frischen Wind in der gelähmten österreichischen Politik sorgen könnten.

Es zeigt von einer ängstlichen Haltung der Roten, sich dem Untersuchungsausschuss zu widersetzen. Die Bürger müssen annehmen, dass auch die SPÖ Butter auf dem Kopf hat. Da hilft keine technische Erklärung über Nachteile und Kosten eines Ausschusses. Was bleibt, ist das Signal der Verweigerung.

So wird am Ende mit der FPÖ der Verursacher des Debakels aus ihm sogar noch Nutzen ziehen, weil die herrschenden roten Pragmatiker vergessen haben, dass es in der Politik neben Hard Facts auch um Symbolik und Vertrauen geht. Die einzige Chance ist und bleibt: her mit dem Untersuchungsausschuss, und zwar schnell. (Peter Menasse, DER STANDARD, 5.4.2014)