Seoul - Der Absturz zweier Drohnen in der Nähe der See- und Landesgrenze zu Nordkorea hat in Südkorea die Alarmglocken schrillen lassen. Südkoreas Militär kam zu dem vorläufigen Schluss, dass beide unbemannten Flugobjekte vom Nachbarland aus gesteuert wurden und der Spionage dienen sollten. "Wir gehen davon, dass sie aus Nordkorea sind", sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Mittwoch. An der Batterie seien Buchstaben in nordkoreanischer Standardschrift zu sehen. Wenn sich der Verdacht bestätigen sollte, wäre es der erste Beweis, dass Nordkorea Drohnen einsetzt.
Eine Drohne war am Montag nach einem Schusswechsel mit der Küstenartillerie Nordkoreas auf der Insel Baengnyong nahe der umstrittenen Seegrenze im Gelben Meer sichergestellt worden. Das Wrack der anderen Drohne war bereits eine Woche zuvor in der Stadt Paju südlich der demilitarisierten Zone zwischen beiden Ländern gefunden worden. Laut südkoreanischen Angaben sind die blau angemalten Geräte von einfacher Bauart, für wenige tausend Dollar könne man solch eine Drohne konstruieren. Verwendet wurde bei den Fluggeräten, die Modellflugzeugen ähneln, der Kunststoff Polycarbonat, was das Aufspüren erschwert.
Japanische Kameras in Drohnen
Ausgestattet sind die 140 beziehungsweise 180 Zentimeter langen Drohnen mit Fotokameras der japanischen Marken Canon und Nikon, die man im Internet für einige hundert Dollar erwerben kann. Es wurden hunderte Fotos der südkoreanischen Hauptstadt Seoul, von Paju und mehreren Inseln nahe der Grenze geschossen, diese Daten konnten aber nicht in Echtzeit übertragen werden. Südkoreanischen Medienberichten zufolge waren auch Aufnahmen von Militäranlagen und Wohnanlagen auf dem Gelände des Präsidentenpalasts in Seoul enthalten. Das wurde offiziell nicht bestätigt.
Laut Kim Min-seok, Sprecher des südkoreanischen Verteidigungsministeriums, stürzte die erste Drohne wegen eines Motorproblems ab. Beim zweiten Fluggerät ging der Treibstoff aus.
Die Funde hatten in Südkorea die Befürchtung ausgelöst, dass sich in der Flugabwehr größere Löcher auftun. Sie hätten dazu geführt, dass das Land seine Überwachungsfähigkeiten verbessern wolle, berichtete die nationale Nachrichtenagentur Yonhap unter Berufung auf Militärs. Unter anderem sollen neue Radarsysteme angeschafft werden.
Südkorea will US-Drohnen kaufen
Südkoreanische Experten vermuten, dass Nordkorea über bessere unbemannte Fluggeräte verfügt als jene, die abgestürzt sind. Trotzdem sollen sie in der Entwicklung noch weit entfernt sein von der US-Drohne Global Hawk, die Seoul kaufen will. Vier Stück sollen in den nächsten Jahren für 848 Millionen US-Dollar erworben werden. Global-Hawk-Drohnen können bis zu 40 Stunden in der Luft bleiben und Ziele in einer Entfernung von bis zu 550 Kilometern ins Visier nehmen. Eine Drohne, die südlich der entmilitarisierten Zone auf der koreanischen Halbinsel unterwegs ist, könnte damit ganz Nordkorea und sogar Teile Chinas überwachen. Die Flugzeuge sind mit Infrarotkameras, Radar- und Abhörgeräten ausgestattet. (red/APA, derStandard.at, 4.4.2014)