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Ivica Vastic ist schon der dritte Trainer von Mattersburg in der aktuellen Saison.

Foto: AP/ Ronald Zak

Mattersburg - Im Pappelstadion, da wird jetzt kein großes Geheimnis verraten, brennt der Hut. Der Absteiger aus der Tipp3-Liga hat bislang eine schmerzhaft knirschende Saison absolviert. Seit dem 1:2 im Landesderby gegen Parndorf, den Aufsteiger in die Erste Liga, steht die traditionsreiche Nummer eins des burgenländischen Fußballs vor der Kellertür, einen Punkt vor dem Relegationsplatz. Mit Ivica Vastic versucht bereits der dritte Trainer, das Saisonsteuer herumzureißen. Noch will niemand das Undenkbare denken, aber da und dort in den Wirtshäusern redet man schon über den SC Neusiedl, der sich 1984 von ganz oben stracks Richtung Landesliga verabschiedet hat.

Das aber würde einem beeindruckenden Projekt wohl endgültig den Garaus machen. "Zehn bis zwölf Punkte", schätzt der Vater dieses Projekts, Martin Pucher, "werden wir in den nächsten zehn Runden noch brauchen." Um nicht im Nichts zu verschwinden, aus dem der SV Mattersburg einst gekommen ist.

Lokomotive jammert

In den 26 Jahren, die Pucher den SVM von der 2. burgenländischen Landesliga herauf leitet - und dabei zuweilen, so hört man, Mitarbeiter-enervierend bis ins allerkleinste Detail hineinschupft -, ist an der Wulka ein veritabler Profiverein entstanden, der weniger auf den schnellen Erfolg als dessen nachhaltige Wirkung angelegt ist. Pucher predigte stets: Strukturen schaffen, finanziell nicht übermütig werden. Freilich bedarf die schönste Akademie, die beste medizinische Abteilung, das fundierteste Budget auch oder vor allem der Lokomotivkraft der ersten Mannschaft. Die aber hustet und schnauft - und jammert.

Es gebe eine "unsagbare Verletzungsserie", klagt der Boss, der sich wünschte, "endlich aus dem Vollen zu schöpfen". Tatsächlich sind vom Einsergoalie Thomas Borentisch über Ex-Teamstürmer Patrick Bürger und dem starken Centerhalf Manuel Seidl drei Führungsspieler langzeitverletzt, "insgesamt fehlen uns zehn, das verkraftet in Österreich keine Mannschaft, außer vielleicht Salzburg", sagt Pucher.

Freilich erklärt das nur unzulänglich, warum dann die endlich zum Zug Gekommenen so - ja: tramhapert agieren. Ängstlich beinahe, mehr noch: schreckhaft. 0:5 daheim gegen eine keineswegs überragende Liefering, 1:2 gegen biedere, aber physisch präsente Parndorfer - das tut mehr als weh. Es schreibt sich in die Tabelle wie ein Fingerzeig. Und es befeuert, no na, das Volksgemurmel. Jetzt sei halt die Zeit der Besserwisser, sagt Pucher. In der Zeit des Aufbaus und des Erfolgs seien die Siebeng' scheiten still gewesen. Jetzt wüsste sie, wie sehr der Pucher und sein Sportdirektor, der Langzeittrainer Franz Lederer, schuld seien an der Misere.

Autokratisches System

Freilich kommt solches Volksgemurmel auch nicht ganz von ungefähr. Autokratische Systeme - und so eines ist der SVM zweifellos - entwickeln nun einmal keine Kommunikations-, sondern Kommandostrukturen. Alles andere daneben ist dann logischerweise bloßes Latrinengerücht.

Klar ist, dass Fußball in kein demokratisches System passt - in ein autokratisches aber auch nicht. Der Fußball fußt - deshalb ist er manches Mal ja so berauschend und manches Mal so zum Haareraufen - in der Theokratie. Er funktioniert nach dem Prinzip: Wenn der Herrgott net will, nutzt des gar nix. In genau dieser Phase steckt der SVM zurzeit - eine Zeit der Prüfung sozusagen.

"Martin Pucher", sagt Martin Pucher, angesprochen auf seinen Führungsstil, "ist der, der er ist." Das klingt ein wenig wie ein Gebet oder zumindest eine Beschwörung. Und er sagt: "Die Stärke des SVM liegt in der Ruhe." Das ist fast ein Gelübde. Denn ruhig - das sei einer einmal, einen Punkt vorm Relegationsplatz. Und angesichts dessen, dass am Freitag mit Altach der überlegene Tabellenführer kommt! Und am Dienstag der zweite Ländleverein, die tabellendritte Austria aus Lustenau! Und dann geht es nach Horn zum Sechspunktespiel um die Abstiegsrelegation! (Wolfgang Weisgram, DER STANDARD, 4.4.2014)