Armin Wolf fragte bei den Journalismustagen: "Machen die Medien die Politik kaputt?"

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Wien - "Österreichs geizigste Politikerin", titelte das Wochenmagazin "News" Anfang Februar. Auf dem Cover: Beatrix Karl. Die ehemalige Justizministerin trägt ein blaues Ballkleid, erworben von einer Modeschülerin. Neben den Materialkosten zahlte sie 300 Euro. Bei einem Arbeitsaufwand von 150 Stunden beträgt der Stundenlohn zwei Euro, rechnete das Magazin vor und versah Karl mit dem Etikett "geizigste Politikerin".

Diese Titelgeschichte stehe exemplarisch für mediales Hyperventilieren, wie Armin Wolf am Donnerstag referierte. Der "ZiB 2"-Moderator sprach zum Auftakt der ersten Österreichischen Journalistentage im Wiener Museumsquartier zum Thema "Machen die Medien die Politik kaputt?". Sein Befund: Dass Politiker in der Bevölkerung ein derart geringes Ansehen haben, daran sind - neben den Politikern selbst - auch die Medien schuld.

"Blockierte Kurz Behindertenparkplätze?"

In einem anderen Fall spielt Sebastian Kurz die Hauptrolle - beziehungsweise ein Auto. Nicht das "Geilomobil" aus dem Wien-Wahlkampf vor Jahren, das Kurz als Chef der Jungen ÖVP viel Spott einbrachte, sondern ein Audi aus dem Innenministerium, der angeblich zwei Behindertenparkplätze blockierte. Dokumentiert wurde das vermeintliche "Vergehen" des damaligen Integrationsstaatssekretärs von einem Leserreporter, der orf.at mit dem Foto des parkenden Autos versorgte. Kurz dementierte, den Wagen gelenkt zu haben, nur die Geschichte blieb: "Blockierte Kurz Behindertenparkplätze?"

Für mediales Guillotinieren würden Politiker unser "Erbarmen" verdienen, meint Armin Wolf. Der Job sei "unfassbar mühsam", der Handlungsspielraum beschränkt, und die Bezahlung stehe in keiner Relation zu Verdienstmöglichkeiten, wie sie etwa in der Privatwirtschaft vorherrschen würden: "Für das Geld lohnt sich die Politik nicht." Im Nationalrat gibt es das Korsett des Klubzwangs und ob Parlamentarier die nächste Legislaturperiode im Parlament erleben, hänge weniger von ihrer Leistung, sondern viel mehr von Machtinteressen innerhalb der Parteien ab.

"Sind sie authentisch, werden sie verspottet"

Das Publikum fordere authentische Politiker, aber: "Sind sie authentisch, werden sie verspottet", sagt Wolf und erwähnt Alfred Gusenbauers Sager vom "üblichen Gesudere" bei Parteiveranstaltungen und Martin Bartensteins "Schuhrabatt", der in keinem Porträt über den ehemaligen ÖVP-Wirtschaftsminister fehlen dürfe. "Aber wie viele sind Mitglieder im Österreichischen Journalistenclub?", fragt Wolf, nur weil sie die angebotenen Vergünstigungen in Anspruch nehmen wollten.

"Journalisten und Wähler sind gnadenlos", sagt Wolf. Gnadenlos sei auch der Ton, der in Onlineforen herrsche. Für Wolf ein "digitaler Pranger, knapp vor der verbalen Lynchjustiz".

"Die meisten sind nicht korrupt"

Für das ramponierte Image des Berufsbilds Politiker seien aber nicht nur Medien verantwortlich. Das erledigten die Protagonisten schon auch selbst, sagt Wolf mit Verweis auf aktuelle Korruptionsfälle. Dennoch: "Ich bewundere jeden, der aus ehrlichen Motiven in die Politik geht." Schwarze Schafe gebe es natürlich, "die meisten sind aber nicht korrupt".

Neben der medialen "Hyperkonkurrenz", die alles zu einem Skandal stilisiere, sei das Imageproblem hausgemacht. Karl-Heinz Grasser, Uwe Scheuch und Ernst Strasser seien nur einige Beispiele - neben Politikern wie Josef Cap, der von der SPÖ als "Entschädigung" für die Ablöse als Klubchef einen höher dotierten Job im Renner-Institut bekam.

Selektive Medienwahl

Den vorherrschenden Unmut der Bevölkerung führt Wolf auf Diskussionen über Budgetloch, Korruptions-U-Ausschuss, strukturelles Nulldefizit und Hypo-Debakel zurück. Und auf Kommunikationsverweigerung, die sich im Nichtbeantworten von Fragen manifestiere, und die Art, wie sie von höchster Stelle praktiziert werde. Bundeskanzler Werner Faymann habe seit dem letzten ORF-Sommergespräch "mehrere Dutzend Einladungen" ins Studio der "ZiB 2" abgelehnt. Von Boulevardmedien dagegen lasse sich Faymann gerne interviewen.

"Medien machen viele Fehler", kritisiert Wolf. Auch Qualitätsmedien, die sich von der Konkurrenz treiben lassen. Etwa bei der Gewichtung von Geschichten und in puncto Sachkenntnis: "Nicht jede Frage muss sofort beantwortet werden." Dafür verantwortlich macht er den finanziellen und personellen Druck, der in Redaktionen herrsche. "Ich hoffe, dass Ärzte nicht so viele Fehler machen wie Journalisten", so Wolf, "sonst gehe ich in kein Krankenhaus mehr."

Von reinem Positivjournalismus, der Politiker nur in ein gutes Licht rückt, hält Wolf bei aller Kritik an der Treibjagd dennoch nichts. Die Aufgabe der Medien müsse immer noch sein, das politische System und seine Akteure zu beobachten, ihre Handlungen und Aussagen kritisch zu analysieren, denn: "Medien sollen nicht zu Pressesprechern von Politikern werden." (Oliver Mark, derStandard.at, 3.4.2014)